Entscheidung des BGH - Facebook darf Konto nicht einfach sperren
Stand: 29.07.2021 16:06 Uhr
Für Facebook wird es aufwendiger, Nutzer wegen Verstößen gegen Regeln des Online-Netzwerks zu sperren. Sie müssen vorab informiert werden. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Von Gigi Deppe, ARD-Rechtsredaktion
Die Frau und der Mann, die durch drei Instanzen geklagt haben, hatten 2018 jeweils bei Facebook sehr aggressive und feindselige Bemerkungen gepostet: "Migranten können hier morden und vergewaltigen und keinen interessiert's", hatte die Klägerin unterstellt. Bei dem Kläger klang es so ähnlich.
Facebook hatte die Posts sehr bald gelöscht und beide Konten für mehrere Tage gesperrt. Damit konnten beide nichts mehr posten und kommentieren und auch den Facebook-Messenger nicht mehr nutzen.
Das Unternehmen berief sich bei der Löschung und Sperrung auf das Kleingedruckte, die sogenannten "Gemeinschaftsstandards".
Die legen fest, dass die Verbreitung von Hassrede nicht toleriert und entsprechende Beiträge gelöscht werden. Dabei gehen sie weiter als das Gesetz. Facebook kann danach auch Aussagen verbieten, die noch nicht als strafbare Beleidigung oder Volksverhetzung anzusehen sind.
Gemeinschaftsstandards grundsätzlich möglich
Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH), Deutschlands oberstes Zivilgericht, über die Sache entschieden. Dabei sagte der Vorsitzende Richter, Ulrich Hermann, solche Gemeinschaftsstandards seien grundsätzlich möglich. Denn hier sei zwischen den Grundrechten beider Seiten abzuwägen, zwischen der Meinungsfreiheit der Nutzer und der unternehmerischen Freiheit von Facebook.
Grundsätzlich dürfe das Netzwerk den Nutzern Vorgaben für die Inhalte machen, dass bestimmte Standards eingehalten werden. Das würde für die Plattform bedeuten:
Sie darf sich das Recht vorbehalten, bei Verstoß gegen die Kommunikationsstandards Beiträge zu entfernen und das betreffende Nutzerkonto zu sperren.
Und zwar selbst dann, wenn die Äußerungen der Nutzer noch nicht strafbar sind. Allerdings müsse sie ein bestimmtes Verfahren einhalten: "Stichwort: Grundrechtswahrung durch Verfahren". Das heißt, die Plattform muss auch die Meinungsfreiheit der Nutzer respektieren.
Sie muss sich deshalb in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen verpflichten, den betreffenden Nutzer über die Entfernung des Beitrags zumindest nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung des Nutzerkontos grundsätzlich vorab zu informieren.
Exklusiv 23.06.2020 Auswertung von Daten Wie Facebook im Kampf gegen Hass versagt
Das Projekt "Hassmaschine" offenbart Einblick in die rechte Hasswelt auf der Plattform.
Streit um Inhalte noch nicht geklärt?
Für Herbert Geisler, den Anwalt der beiden Facebook-Kunden, ist das kein ganz befriedigendes Urteil. Denn der Streit um die Inhalte sei damit noch nicht geklärt. "Das ist die große Frage, die sich also auch weiterhin stellen wird", sagt er.
Aber immerhin wäre jetzt für die Kunden solcher Plattformen klar, dass sie vorher gewarnt würden. "Sie brauchen nicht zu befürchten, dass sie gesperrt werden vor einem Hinweis. Und dann haben sie Gelegenheit, sich zu äußern, ob sie diese angekündigten Sperrmaßnahmen akzeptieren oder nicht akzeptieren wollen", so Geisler.
Anschließende Information reicht
Ein Post darf nach der neuen Rechtsprechung des BGH weiterhin schnell gelöscht werden. Da reicht es , wenn das Netzwerk die Nutzer anschließend informiert. Aber zu einer Sperre des Kontos müssen sie sich zunächst äußern dürfen. Und das Netzwerk muss darauf auch noch mal antworten.
Das heißt, es wird in Zukunft immer erst einige Zeit vergehen, bevor jemand bei Facebook oder bei einer anderen Plattform gesperrt werden kann.
Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 29. Juli 2021 um 16:00 Uhr.
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