Der 11-jährige Otto und seine 8-jährige Schwester Erika lebten bei ihrer Mutter in der Brandenburger Straße in Breslau. Die Mutter war Kriegswitwe und arbeitete als Näherin und Masseuse und hatte daher für ihre Kinder wenig Zeit. Die Geschwister gingen nach der Schule meistens zu ihren Großeltern, die in der Gartenstraße 97 wohnten. Der Großvater war Korbmacher und hatte dort seine Werkstatt.
In der Gartenstraße, die in der Nähe des Hauptbahnhofes lag, gab es viele Stundenhotels und Absteigen. Es trieben sich dort Prostituierte, Zuhälter und Ganoven herum. Manchmal verdienten sich die Kinder mit kleinen Arbeiten am Hauptbahnhof etwas Taschengeld.
Samstag, 05.06.1926
Nach der Schule machten Otto und Erika ab 14.00 Uhr für den Großvater mehrere Botengänge.
Gegen 17.00 Uhr schickte sie die Mutter zur Post, um ein Paket abzuholen. Dabei wurden sie in der Taschenstraße vor dem Geschäft eines Fotografen gesehen, wie sie drei festlich gekleidete Kinder hänselten. Hier soll einer Zeugin aufgefallen sein, dass die Geschwister von 2 Männern beobachtet wurden. Im weiteren Verlauf sollen sie sogar in Begleitung von 2 Männern gesehen worden sein.
Gegen 18.00 Uhr waren sie nach Angaben des Postbeamten bei der Paketannahme angekommen. Er wies sie noch an, den Eingang zur Paketausgabestelle zu benutzen, der sich in der Breitestraße befand.
Danach wurden die Kinder nicht mehr gesehen. Hedwig Fehse meldete um ca. 20.00 Uhr ihre Kinder als vermisst.
Um ca. 22.45 Uhr fanden Spaziergänger an der Technischen Hochschule, nahe der Uferzeile ein Paket. Es lehnte an einer Mauer.
Das Paket wurde von der Polizei auf dem Revier geöffnet. Den Beamten bot sich ein schreckliches Bild: Zum Vorschein kam außer Kleidung auch eine grässlich verunstaltete Leiche eines Mädchens sowie der Kopf eines Jungen.
Da Frau Fehse ihre Kinder vermisst gemeldet hatte, wurde sie zur Identifizierung auf die Wache geholt. Die im Paket beigelegte Kleidung gehörte den Kindern. Frau Fehse fiel aber auf, dass der Schlüpfer ihrer Tochter sowie Kleidungsstücke des Sohnes fehlten: seine Matrosenbluse, Hemd und Hosenträger. Schuhe und Strümpfe gab es nicht, da beide barfuß liefen.
In der Nacht zum Montag fand eine Polizeistreife im Scheitniger Park ein ähnliches Paket. Man fand darin Rumpf und Gliedmaßen des Jungen.
Da die Breslauer Polizeibeamten mit diesem Fall überfordert waren, baten sie nun Kollegen aus Berlin um Hilfe.
Die Untersuchung der Kinderleichen ergab, dass Otto erstickt und Erika die Kehle durchgeschnitten worden war. Die Kinder hatten Spuren von Fesselungen an Händen und Füßen. Der Körper des Mädchens war in Kopf, Rumpf und Unterkörper zerteilt. Dem 11-jährigen Otto hatte der Täter den Kopf abgetrennt und beide Beine in Oberschenkel und Unterschenkel zerlegt. Beiden Kindern fehlten u.a. Geschlechtsteile und Bauchorgane.
Die gefundenen Pakete waren ähnlich verpackt worden, wobei das Paket vor der Technischen Hochschule zusätzlich in einem Papiersack steckte und anschließend mit Kordel verschnürt wurde.
Am Montagvormittag, dem 07.06. bekam der Großvater Otto Urban ein Päckchen. Der Postbote hatte dieses in den Briefkasten geworfen. Der Inhalt ließ den Mann zusammenbrechen: Es waren die Geschlechtsteile der Kinder, eingewickelt in Erikas Unterhöschen.
Auf der Sendung für Otto Urban klebte ein weißer Zettel mit der von Otto Fehse handgeschriebener Adresse. Merkwürdig war hier, dass der Junge statt die Hausnummer 97 die Nummer 88 schrieb!
Abends traf der Leiter der Berliner Mordinspektion Ernst Gennat zur Unterstützung ein. Er vermutete einen Serientäter und veranlasste eine Aufstellung ähnlicher Fälle. Für die Jahre 1906 bis 1926 kamen 11 ungeklärte Taten im Deutschen Reich zusammen.
Auf Anweisung von Ernst Gennat wurde das Postamt und auch die Technische Hochschule mehrmals durchsucht. Immer erfolglos. Für Zeugenhinweise richtete man ein Schaufenster eines Kaufhauses her, in dem den Kindern nachgebildete Wachspuppen ausgestellt waren. Zusätzlich hatte man ähnliche Pakete angefertigt sowie Zeichnungen der Fundstellen. Es wurde eine Belohnung von 4000 Reichsmark ausgesetzt. Außerdem wurden 100.000 Fahndungszettel verteilt.
Trotz dem es an Zeugenaussagen nicht mangelte, reichten diese nicht aus für eine genaue Personenbeschreibung. Aus der Bevölkerung gingen auch zahlreiche Hinweise ein bzgl. leerstehender Gebäude, Blutspuren und Schreie, die jedoch mit den Morden nichts zu tun hatten.
Ohne Erfolg waren auch Gennats Ermittlungen unter zwielichtigen Personen aller Art, da er in dieser Stadt nicht die nötigen Verbindungen hatte. Im Juli kehrte Ernst Gennat wieder zurück nach Berlin.
Im Laufe der Zeit gab es aber dann doch 2 Männer, die in den Akten als Verdächtige aufgeführt sind:
Herbert Höll Dr. Arthur Engel
Eher zufällig stießen die Ermittler auf Herbert Höll. Bei einer Hausdurchsuchung fanden sie mehrere Tausend pornographische Postkarten sowie stenographische Aufzeichnungen, die Schilderungen von Lustmorden enthielten. Dazu entdeckte man eine riesige Adressensammlung von Breslauer Kindern. Zudem fand man noch zahlreiche Zeitungsartikel über Sexualmorde, jedoch keinen zum Doppelmord Fehse. Doch aus Mangel an Beweisen konnte gegen den im November 1934 verhafteten Herbert Höll keine Mordanklage erhoben werden.
Dr. Engel wurde 1936 von einem Herrn Krause wegen Mordes an den Geschwistern Fehse angezeigt. Mit seinem Verdacht war Herr Krause bereits 1926 bei der Polizei gewesen, wurde damals aber nicht ernst genommen, denn seiner Meinung nach war dieser Mord ein Ritualmord. Laut Ernst Gennat, der darüber in Berlin informiert wurde, überprüfte und beschattete man Dr. Engel längere Zeit. Der Verdacht konnte sich nicht erhärten.
Das scheußliche Verbrechen an Erika und Otto Fehse wurde nie aufgeklärt.
Quelle: Mörderische Metropole Berlin, Regina Stürickow
Im Link befindet sich ein alter Plan von Breslau, den man zoomen kann. Das rote Gebäude mittig ist der Hauptbahnhof. Die Wohnung der Kinder, sowie der Großeltern als auch das Paketpostamt Weiße Ohle befinden sich auf dem Plan.
Übrigens war vom 31.05. bis 06.06.1926 die 32. Landwirtschaftliche Wanderausstellung in Breslau
Breslau 1926 Landwirtschaftsausstellung Der Plan erschien anlässlich einer Ausstellung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft, die vom 31. Mai bis zum 6. Juni in Breslau stattfand.