Verbrechen Ungesühnte Bluttat in Bamberg: Wer hat 1968 Angelika S. umgebracht? In unserer Serie "Tatort Bamberg" geht es um den brutalen Mord an einer 16-Jährigen im Sommer 1968. Der Täter, der 21 Mal zustach, konnte trotz intensiver Ermittlungen und großer Anteilnahme der Bamberger nie gefasst werden.
13 letzte Schritte soll Angelika S. gemacht haben, bevor sie bewusstlos zusammengebrochen ist. Passanten finden kurz vor 1 Uhr ihren blutüberströmten Körper in der Bamberger Plattengasse, nicht weit weg von ihrem Elternhaus in der Egelseestraße. Die Ärzte kämpfen im Krankenhaus noch fast sechs Stunden um ihr Leben. Doch die Verletzungen sind zu schwer.
Ein unbekannter Mann soll in der Nacht zum 3. August 1968 auf die 16-Jährige eingestochen haben. Die Kriminalpolizei spricht von einem wahren Blutrausch: 21 Stiche mit einem stilettartigen Messer zählen die Rechtsmediziner. Mit großer Wucht habe der Täter zugestoßen. Geraubt wurde dem Mädchen nichts, auch für ein Sexualdelikt gibt es keine Anzeichen. Ganz Bamberg sucht nach dem Mörder, für dessen Ergreifung Staatsanwaltschaft und US-Streitkräfte 5000 D-Mark Belohnung aussetzen.
In der FT-Druckerei werden 1000 Fahndungsplakate in deutscher und englischer Sprache gedruckt, die in allen fränkischen Landkreisen und an amerikanischen Militärstandorten ausgehängt werden. Hunderte Hinweise gehen ein, viele Zeugen melden sich. Der Abend vor der Tat lässt sich schon bald nahezu lückenlos nachvollziehen: Die Mutter soll gegen 19 Uhr zu ihrer Schwester gefahren sein, der Vater geht seiner Arbeit als Nachtwächter nach, und Angelikas Bruder ist auf Zeltlager. Und so hat die 16-Jährige, die erst seit kurzem in einem Lebensmittelladen arbeitet, an jenem Freitagabend sturmfrei. Gegen 21 Uhr wird sie mit einem amerikanischen Soldaten in Zivil in der Gastwirtschaft "Roter Ochse" gesehen, beide trinken Cola. Kurz darauf ist sie in einer Hühnerbraterei in der Luitpoldstraße zu Gast, wo sie eine Zigarette raucht und sich ein Schaschlik einpacken lässt. Ein Taxifahrer will sie später bei drei amerikanischen Soldaten stehen sehen. Um 23.30 Uhr erkennen dann mehrere Zeugen Angelika S. in Begleitung eines jungen, schlanken Mannes auf dem Weg in die Hirtenstraße - nicht weit weg vom späteren Tatort.
Noch vor Mitternacht soll dann auf Angelika S. eingestochen worden sein.
Ein paar Nachtschwärmer geben später an, sie hätten die schwerverletzt am Boden Liegende für einen Betrunkenen oder für einen Hund gehalten. Erst zwei Männer erkennen ihr blutbeflecktes Gesicht und rufen die Polizei.
Fast 600 Bamberger kommen zur Beerdigung der 16-Jährigen, die als "außerordentlich anständig und sehr fleißig" beschrieben wird. "Den Gesichtern war zu entnehmen, dass nur die wenigsten aus Neugier gekommen waren, dass die meisten echte Anteilnahme bekundeten", stellt der FT damals fest.
Wie es zum Tod des Mädchens gekommen ist, bleibt den ganzen August über Gegenstand wildester Spekulationen. Ins Visier der Ermittler gerät unter anderem ein 52-jähriger Oberstudienrat eines Bamberger Gymnasiums.
Dieser ist durch merkwürdige Äußerungen gegenüber Journalisten aufgefallen, hat sich zwischenzeitlich als eine Art Privatdetektiv aufgespielt und wird bald darauf wegen Gemeingefährlichkeit in die Nervenklinik St. Getreu eingewiesen. Denn er hat auf offener Straße einen Mann des Mordes an Angelika S. bezichtigt und ihn mit einer Gas-Sprühdose angegriffen. Doch als Täter scheidet der Oberstudienrat nach Einschätzung der Polizei aus.
Ebenso ein 25-jähriger griechischer Gastarbeiter und ein 18-Jähriger, "den das Gerücht innerhalb kürzester Zeit zum Täter gestempelt hat", nachdem seine Mutter ein blutbeflecktes Hemd verbrannt haben soll. Aber dieser Tatverdächtige hat ein gutes Alibi - und das Blut auf seinem Hemd habe von Nasenbluten hergerührt.
Und so resümiert der Leiter der Kriminalpolizei, Amtmann Haas, zehn Wochen nach der Tat: "Das Ergebnis ist gleich Null." Die Zusammenarbeit mit der amerikanischen Kriminalpolizei sei vorbildlich gelaufen, und doch gebe keine einzige objektive Tatspur, keinen Zeugen, der konkret etwas zur eigentlichen Bluttat angeben konnte. Weder der Mann, mit dem Angelika S. zuletzt gesehen wurde, noch die Tatwaffe werden gefunden.
Der Mordfall S. ist zu diesem Zeitpunkt das einzige nach dem Krieg in Bamberg verübte Kapitalverbrechen, das noch nicht geklärt worden sei, zitiert der Fränkische Tag damals den Kripo-Leiter. Und bescheinigt der Polizei, dass man ihr keinen Vorwurf machen könne. "Die Polizei hat alles getan, was nur möglich war", erklärt auch der damalige Oberstaatsanwalt Ostheimer.
Mord verjährt nicht - und so soll sich die Kriminalpolizei Jahrzehnte später noch einmal mit dem Tod von Angelika Stark befasst haben. Doch auch moderne Ermittlungsmethoden konnten nicht zum Täter führen. Damit bleibt die Bluttat in der Plattengasse ein Cold Case, wie im Polizeijargon ungelöste Kriminalfälle genannt werden.
Serie "Tatort Bamberg"
Mit Berichten über die Madonnenräuber von Volkach, den Burgwindheimer Bankräuber, die Mörder vom Hauptsmoorwald und den Tod des kleinen Tobias haben wir eine Serie über Verbrechen begonnen, die in der Region Aufsehen erregt haben. In lockerer Folge werden wir in den kommenden Monaten weitere Kriminalfälle vorstellen, die Bamberg und sein Umland bewegten.