"Kinder sind unsere Zukunft" ist so ein Satz, der einem leicht über die Lippen geht.
Doch was heißt das eigentlich? Welche Tragweite steckt hinter dieser Binsenweisheit? Noch sind Kinder jung und stecken in der Kita, Schule oder Ausbildung. Mittel- bis langfristig zahlen sie dann Steuern und finanzieren unsere Sozialsysteme. Ist das alles?
In Deutschland heißt es vor allem eines: Jeder fünfte Einwohner in Deutschland ist Stand heute bereits älter als 66 Jahre. Der demografische Wandel schreitet voran. Menschen, die heute noch Kinder sind, müssen also in Zukunft für eine überproportional alte Bevölkerung Sorge tragen.
Und wie kümmern wir uns um unsere Kinder, ergo: um unsere Zukunft? Viel zu wenig. Das zeigt nicht nur das schlechte Krisenmanagement der Bundesregierung im Bereich der Schulen und Kitas, in denen immer noch mit Maßnahmen gegen die Pandemie gearbeitet wird, die Menschen auch im Mittelalter ergriffen hätten: Stoff vor die Nase binden, lüften und schön Abstand halten.
Diese Abenteuerlichkeiten nehmen wir inzwischen längst achselzuckend zur Kenntnis und schütteln vielleicht kurz vor Unverständnis den Kopf. Aber der Sonderauswertung der polizeilichen Kriminalstatistik, die gestern in Berlin vorgestellt wurde, sollten wir nicht mit Gleichgültigkeit begegnen. Im Gegenteil: Sie muss uns eine lautstarke Warnung sein.
Die Gewalt gegen Kinder und insbesondere der sexuelle Missbrauch an Kindern in unserem Land nimmt deutlich zu. Schwarz auf weiß steht in dem Bericht:
Es gab 53 Prozent mehr Fälle von Kinderpornografie, rund 1.000 angezeigte Missbrauchsfälle mehr, 10 Prozent mehr Misshandlungen von Kindern ohne sexuelles Motiv, 152, und damit 40 mehr Kinder als 2019, wurden getötet. Eine schreckliche Bilanz und eine Schande für unser Land.
Dabei hören wir tagtäglich aufmunternde Politikerfloskeln über Kinder. Mantramäßig wird wiederholt, dass die Kleinen besonders schutzbedürftig sind. Vor rund einem Jahr, es war der 23. März 2020, hatten wir auch noch eine Bundesfamilienministerin. Qua Amt oberste Schutzpatronin der Kinder im Land, sagte Franziska Giffey (SPD) den Kollegen von RTL, wie gefährlich der Corona-Lockdown werden könnte: "Das kann eben dazu beitragen, dass es im häuslichen Umfeld, wenn man so viel Zeit zu Hause ist, die Kinder nicht in Kita und Schule gehen können, ein erhöhtes Konfliktpotenzial gibt und dass es auch zu stärkerer häuslicher Auseinandersetzung kommt, auch zu stärkerer häuslicher Gewalt."
Es gleicht einem fürchterlich unlustigen Treppenwitz der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik, dass Franziska Giffey seit exakt einer Woche nicht mehr Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist – und genau jetzt die Statistik veröffentlicht wurde, die schonungslos das Versagen deutscher Behörden beim Thema Kindesmissbrauch offenlegt. Es ist schon zu normalen Zeiten ungewöhnlich, dass eine Ministerin zeitgleich zwei Ministerien leitet. Aber dass Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) nun für mindestens fünf Monate auch noch das Familienministerium übernimmt, wirkt spätestens mit den neuesten Zahlen zum Missbrauch von Kindern wie blanker Hohn. Nichts gegen Frau Lambrecht, aber: Messen wir unseren Kindern tatsächlich so wenig Bedeutung bei, dass wir sie nun zum Nebenjob werden lassen?
Ich habe gestern mit Johannes-Wilhelm Rörig telefoniert. Er ist Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs und sagt: "Mädchen und Jungen, die von sexueller Gewalt betroffen sind, vertrauen sich häufig ihren Lehrerinnen und Lehrern an oder geben Signale. Und genau diese Kontrollinstanz fehlt momentan." Die Zahlen, die ich Ihnen heute vorgestellt habe, sind demnach vor allem eines: die polizeilich erfassten Fälle. Das Dunkelfeld ist in der Pandemie tendenziell gewachsen. Was hinter verschlossenen Türen stattfindet, weiß niemand. "Viele Täter können sich darauf verlassen, dass der Staat im Moment bei den Kapazitäten, die er da einsetzt, gar nicht hinterherkommt und dadurch rechtsfreie Räume entstehen", sagt Herr Rörig. Hier lesen Sie das Gespräch, in dem der Missbrauchsbeauftragte auch erklärt, warum Tätern keine härteren Strafen drohen.
Es ist nicht die geeignete Zeit, um die Verantwortung bei den zwei wichtigsten Ministerien für diesen Bereich – dem Familien- und dem Justizministerium – auf eine einzige Person zu übertragen. Kinder sind nicht nur unsere Zukunft, sie haben auch in der Gegenwart unsere volle Unterstützung, Aufmerksamkeit und Fürsorge verdient.
Im Augenblick ist dieser Straftatkomplex voll im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Das Net und bes. das Darknet fördern den Austausch dieser Dateien weltweit, schnell und fast kostenlos. Bleibt nur zu hoffen, daß Ermittler weltweit diese Personen zu fassen bekommen; denn auch die Polizei rüstet technisch und fachlich auf. Der Schritt in D, Quereinsteigern den Weg in die Polizeibehörden zu ermöglichen, war sicherlich richtig. Ohne jahrelang erworbene IT Kenntnisse geht doch da gar nichts. Täter dürfen keine ruhige Minute haben und sich sicher fühlen. Dann werden sie irgendwann leichtsinnig und erwischt. Leider wirken auch lange Haftstrafen nicht abschreckend genug. Man muß es denen einfach schwerer machen.....