CYCLASSICS-IRRSINN Sexverbrecher startet in Altersgruppe III
Von MARKUS ARNDT
Hamburg – Aus Irrwitz wird Wirklichkeit: Der dauerbewachte Sex-Gangster Jens B. (53) fährt tatsächlich am Sonntag bei den Cyclassics im Jedermann-Rennen mit. Es gibt keine Möglichkeit, ihn auszuschließen!
B. startet in der Altersgruppe III und fährt die 55-Kilometer-Strecke (City, Schenefeld, Blankenese, Reeperbahn, City). An seinem Hinterrad werden zwei Polizisten fahren und ihn nicht aus den Augen lassen. Jens B. ist nach einem umstrittenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs formal ein freier Mann.
Er saß vorher in Sicherungsverwahrung, weil er mehrere Frauen bestialisch missbraucht hat. B. lebt auf Staatskosten in Moorburg und wird rund um die Uhr von Polizisten bewacht, weil er nach wie vor als gefährlich gilt
Frank Bertling vom Veranstaltungsorganisator Lagadere zu BILD: „Wir hätten B. ablehnen können, als er sich beworben hat, wussten aber ja nichts von seinem Hintergrund.
Nachträglich seine Starterlaubnis streichen geht nicht – damit würde gegen das Antidiskriminierungsgesetz verstoßen.“
Ein ehemals sicherungsverwahrter Vergewaltiger geht bei den Cyclassics an den Start, Beamte strampeln sich in seinem Windschatten ab, weil sie ihn bewachen müssen. Die Teilnahme von Jens B. bei dem Radrennen hat am Wochenende für Wirbel gesorgt. Doch was machen eigentlich die anderen Schwerverbrecher, deren Unterbringung immer wieder für Anwohner-Proteste gesorgt hatte? Ein Überblick:
Wie viele ehemalige Sicherungsverwahrte werden in Hamburg von der Polizei bewacht? Nur Jens B. Er hat 1986 eine Frau vergewaltigt und versucht, sie zu töten. An sieben weiteren Frauen und Mädchen hat er sich vergangen. Er wohnt in einem umgebauten Bauernhaus in Moorburg.
Jens B. hat seine Haftstrafe abgesessen. Warum wird er noch bewacht? Im Januar hat die Bürgerschaft eine Gesetzesänderung beschlossen: Die Polizei kann dadurch Ex-Sicherungsverwahrte begleiten, solange sie als gefährlich eingestuft werden. Zuvor hatte das Verwaltungsgericht die Überwachung als unzulässig erklärt – Jens B. selbst hatte geklagt und Recht bekommen. Die Bürgerschaft reagierte mit der Änderung auf dieses Urteil.
Warum sind als gefährlich eingestufte Straftäter überhaupt auf freiem Fuß? Bis 1998 konnten Straftäter nach Absitzen ihrer Strafe maximal für zehn Jahre sicherungsverwahrt werden. 1998 wurde die Frist aufgehoben. So saß zum Beispiel Sexualstraftäter Hans-Peter W. nach Verbüßung seiner achtjährigen Strafe weitere 22 Jahre hinter Gittern, obwohl er nach der vorherigen Gesetzeslage nach 18 Jahren hätte entlassen werden müssen. Der Europäische Gerichtshof beanstandete 2009 die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung. Hans-Peter W., Jens B. und ein weiterer Straftäter kamen daraufhin frei, wurden Anfang 2012 in Jenfeld untergebracht und polizeilich bewacht. Anwohner protestierten.
Was ist aus Hans-Peter W. und dem dritten Straftäter geworden? Hans-Peter W. lebt seit Ende 2012 unbewacht außerhalb Hamburgs. Gutachter hatten erklärt, dass von ihm keine schweren Straftaten mehr zu erwarten seien. Im September vergangenen Jahres hatte der Bundesgerichtshof ihm 73000 Euro Haftentschädigung zugesprochen. Auch der dritte Straftäter lebt inzwischen unbewacht.
Wie lange soll Jens B. noch bewacht werden? Laut Justizbehörde muss die Bewachung von Jens B. alle zwei Monate neu angeordnet werden. Eine Prognose, wann sie aufgehoben werden kann, gebe es nicht.