Seit einigen Wochen graben sie nun schon an den Ufern der Savena. Sie graben und suchen mit dem Georadar. Irgendwo da unten liegt die Leiche von Sandra Sandri. Seit 35 Jahren.
Wenn sie heute noch leben würde, wäre Sandra 47 Jahre alt. Wenn sie am Leben wäre. Aber sie ist es nicht. Niemand glaubt es mehr. Sie verschwand am 17. April 1975 im Zentrum von Bologna.
An diesem Tag regnete es in Strömen, es war noch nicht einmal 8 Uhr. Sandra war 12 Jahre alt und war mit ihrer Mutter im Bus. Sie stieg an der üblichen Haltestelle in der Via Farini aus, nur wenige Meter von der Piazza Maggiore entfernt. Sie machte es jeden Morgen, sie stieg an dieser Haltestelle aus, um zur Schule zu gehen. An diesem Tag aber verschand Sandra im Regen.
Es ist eine schlimme Geschichte über Sandra Sandri. Die Ermittler wiesen den Fall dann als "spontanen Weggang" ab.
Sie sagten, Sandra sei "ein junges Mädchen mit Einstellungen und Aussehen, die reifer sind als ihr Alter".
Ein Flittchen, verstehen Sie. Mit 12 Jahren.
Jemand sprach von Erwachsenen, die sie vor einer Bar in der Via Carissimi, in der Vorstadt, direkt unter dem Haus der Sandri umgarnten.
Der Leiter des mobilen Teams in Bologna sagte: "Der Bolognese ist ein rationaler Gauner. Das sind Perversionen, ich kann mir keinen perversen Bologneser vorstellen". Er sagte genau das. Es war Italien 1975 und in Bologna. Im modernen und fortschrittlichen Bologna.
In 35 Jahren wurden die Ermittlungen zum Verschwinden von Sandra Sandri mehrmals eröffnet und abgeschlossen. Leider sind daraus perverse Sachen entstanden. Eine Tonaufnahme tauchte auf. Eine seltsame Person brachte der Polizei ein Tonband: Einige Wochen vor Sandras Verschwinden gab es eine Art Verhör. Auf diesem Band sprach sie über ihr Treffen mit zwei Männern, über die Bar in der Via Carissimi.
Es gab auch Anrufe ins Haus Sandri. Die Stimme eines kleinen Mädchens sagte: "Ihre Tochter ist in Savena".
Ein anderes Mal flüsterte eine Frauenstimme: "In einem Gebiet an der Savena gibt es ein abgelegenes und unbewohntes Bauernhaus mit einigen Hunden, und dort hört man eine Stimme, wie von einem geknebelten Kind".
Das Bauernhaus wurde überprüft. Die Polizei fand einen Zeitungsausschnitt, in dem von einer weiteren schrecklichen Geschichte die Rede war: Die Entführung von Milena Sutter 1971 in Genua. Jeder in Italien kennt diese Geschichte: Lorenzo Bozano, der Blonde in der roten Spinne, der für dieses Verbrechen verurteilt wurde, ist heute sehr krank. Im Jahr 2001 begann er die Vorteile der Halbfreiheit zu nutzen: Er hatte die schlechte Idee, ein kleines Mädchen zu belästigen, und ging zurück ins Gefängnis.
Der Richter, der den Fall nun wieder aufgenommen hat, hat die Geschichte von Sandra Sandri als "unglaublich" bezeichnet. Nach 35 Jahren wird vielleicht endlich eine Lösung gefunden werden. Aber eines ist klar: Sandras Fall war kein "spontaner Weggang".