Aus aktuellem Anlass im Hinblick auf die Ermittlungen gegen einen bekannten Abgeordneten befragten wir Herrn Rechtsanwalt und Strafverteidiger Ferzen Agirman aus Hannover wie die Rechtslage zum Besitz und Erwerb von Bildern von nackten Kindern strafrechtlich zu sehen ist.
Herr Agirman, macht man sich strafbar, wenn man Nacktbilder von Kindern besitzt oder erwirbt?
RA Agirman: Nicht zwingend. Die Rechtslage in Deutschland sieht wie folgt aus. Nach § 184 b StGB wird mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft, wer pornografische Schriften verbreitet, erwirbt oder besitzt, die sexuelle Handlungen an Kindern zeigen. Auch Darstellungen pornografischer Posen und aufreizend zur Schau gestellter Genitalien fallen unter diese strafbare Kategorie, die auch als "Kategorie 1" bezeichnet wird.
Dann gibt es die „Kategorie 2“. Hierzu zählen Aufnahmen von Kindern, die keine sexuellen Handlungen zeigen. Es handelt sich hierbei meist um Fotos am Strand, beim Baden, in der Sauna oder Fotos von Sportveranstaltungen. Diese Fotos werden auch „naturalistische Fotos“ genannt. Die Pädophilen allerdings betrachten diese Bilder zur sexuellen Befriedigung. Der Verkauf und Besitz solcher Bilder ist nicht strafbar. Dennoch begibt man sich damit in die „Grauzone“, weil darin ein Anfangsverdacht gesehen werden kann, der dazu führt, die Verdächtigen genauer unter die Lupe zu nehmen und somit einen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken. Genau das ist auch in dem aktuellen Fall geschehen.
Macht man sich strafbar, wenn man Fotos oder Videos von Kindern am Strand macht und diese verbreitet?
RA Agirman: § 201a Abs. 1 StGB besagt: Wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt Bildaufnahmen herstellt oder überträgt und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Geschützt werden danach soll der höchstpersönliche Lebensbereich.
Ein Strand ist kein gegen Einblick besonders geschützter Raum und als nicht höchstpersönlicher Lebensbereich anzusehen, so dass § 201a StGB hier nicht einschlägig ist. Das bedeutet, dass man sich nicht strafbar macht, wenn man von Kindern und Jugendlichen Fotos am Strand macht und diese verbreitet. So ist dies strafrechtliche Lage. Zivilrechtlich ist dies ggf. anders zu beurteilen. Hier können Ansprüche der Kinder, welche die Eltern als deren Vertreter geltend machen müssen, wegen Verletzung des Rechts am eigenen Bild bzw. allgemeinen Persönlichkeitsrecht bestehen.
Wie wäre es, wenn man spielende Kinder im Kindergarten fotografiert?
RA Agirman: Ein Kindergarten gilt - anders als ein Strand - nicht als öffentlicher Raum, sondern als ein gegen Einblick geschützter Raum, so dass Fotoaufnahmen im Kindergarten ohne Erlaubnis verboten sind.
Darf man Fotos von jemanden in seinem privaten Pool schießen und dann ggf. verkaufen? Wie wäre das mit einem Foto von einer nackt duschenden Person in einer Wohnung, die der Nachbar durch das Fenster abfotografiert.
RA Agirman: Auch diese Fälle fallen unter § 201a StGB, da die Fotos jeweils im privaten Bereich gemacht wurden. Jegliche Aufnahmen und Verbreitung sind verboten und strafbar.
In dem aktuellen Sexbilderfall soll der Hersteller der Videos den Kindern zwischen 8 und 13 Jahren Geld für die Darstellung in Badehose oder nackt gezahlt haben. Konnten so die Nutzungsrechte erworben werden bzw. ist es dadurch legal verkaufbar?
RA Agirman: Man könnte meinen, dass dies legal sei, weil die Kinder den Aufnahmen zugestimmt haben. Allerdings ist dies nicht so, da die Kinder unter 14 Jahre sind und somit als beschränkt geschäftsfähig gelten und daher ihre Zustimmung als unwirksam anzusehen ist und somit nicht ausreicht. Zudem ist eine Einwilligung strafrechtlich hier nicht relevant, so dass je nach Einordnung der Bilder oder Videos in die obige Kategorie 1 oder 2 eine Straftat vorliegen kann.
Machen sich dann auch Eltern strafbar, wenn sie Fotos der eigenen Kinder am Strand oder beim Sport machen und diese verbreiten oder hochladen?
RA Agirman: Nein, solange die Eltern die Bilder ausschließlich für ihre privaten Zwecke benutzen, machen sie sich nicht strafbar. Dennoch sollten Eltern gerade in der heutigen Zeit viel sensibler mit den Fotos ihrer Kinder umgehen. Früher hat man die Fotos zu Hause in einem Fotoalbum aufbewahrt und nur den engsten Freunden, Bekannten und Verwandten gezeigt. Heutzutage kann man ein Foto mit wenigen Klicks im Internet hochladen und öffentlich machen, wo dann zig andere Leute Zugriff auf dieses Foto haben und dieses Foto evtl. weiterbenutzen. Von daher sollten Eltern – um ganz sicher zu gehen - Fotos von Kindern im Internet generell nicht hochladen.
Halten Sie die jetzige Gesetzeslage zum Schutz der Kinder und Jugendlichen für ausreichend?
RA Agirman: Nein auf keinen Fall. Die Gesetze müssen hier verschärft werden.
Der Handel und Erwerb von Kinderfotos muss generell unter Strafe gestellt werden. Dabei darf es keine Rolle spielen, ob das Foto in der Öffentlichkeit gemacht wurde oder nicht, ob das Kind nackt oder halbnackt ist und auch nicht, ob das Foto heimlich gemacht wurde oder ob das Kind freiwillig sich in Pose gesetzt hat. Schließlich geht es darum, die Menschenwürde der Kinder und Jugendliche zu schützen. Solange das Gesetz in der jetzigen Fassung Gültigkeit besitzt, werden die Kinder und Jugendlichen weiter missbraucht und ausgebeutet. Eine Gesetzesänderung wird sicherlich die Ausbeutung und den Missbrauch der Kinder und Jugendlichen nicht komplett verhindern, aber sicherlich einschränken. Die Kinder und Jugendlichen sind hier Opfer, aber völlig hilflos. Daher muss dringend eine Gesetzesänderung gegen die kommerzielle Ausbeutung der Kinder her.