Urteil im sogenannten "Hamburger Stadtpark-Verfahren" rechtskräftig
Beschluss vom 27. März 2025 - 5 StR 567/24
Der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revisionen von sechs Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 28. November 2023 verworfen.
Das Landgericht hat die sechs revidierenden sowie drei weitere Angeklagte nach 68-tägiger Hauptverhandlung insbesondere wegen Vergewaltigung, dabei teilweise wegen Vergewaltigung unter Ausnutzung einer schutzlosen Lage, schuldig gesprochen und Jugendstrafen zwischen einem Jahr und zwei Jahren und neun Monaten verhängt. Bis auf eine der ausgeurteilten Jugendstrafen hat das Landgericht die Strafen entweder zur Bewährung ausgesetzt oder die Entscheidung über die Aussetzung einem nachträglichen Beschluss vorbehalten. Einen weiteren Angeklagten hat das Landgericht freigesprochen. Die mit Sachrügen und zum Teil auch mit Verfahrensbeanstandungen geführten Revisionen der Angeklagten erwiesen sich insgesamt als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den Feststellungen des Landgerichts führten die zur Tatzeit teils jugendlichen, teils heranwachsenden Angeklagten in der Nacht des 19. September 2020 in vier unterschiedlichen personellen Konstellationen und an unterschiedlichen Orten im Hamburger Stadtpark überwiegend Oralverkehr, teilweise auch Vaginalverkehr an der seinerzeit 15 Jahre alten Nebenklägerin durch, die ihnen bis dato unbekannt und erkennbar erheblich alkoholisiert war. Sie nutzten dabei aus, dass die Nebenklägerin in der Bildung und Äußerung ihres Willens im Sinne des § 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB erheblich eingeschränkt war. Ihr Zustand war zunächst allein verursacht durch ihre Alkoholisierung; hinzu kam als Folge der ersten Vergewaltigungen eine schwere akute Belastungsreaktion, welche die Nebenklägerin zusätzlich beeinträchtigte. Die sexuellen Handlungen entsprachen jeweils nicht ihrem (natürlichen) Willen.
Die Überprüfung des Urteils auf die Revisionen der Angeklagten hat keine Rechtsfehler zu ihrem Nachteil ergeben. Das Landgericht hat insbesondere seine Annahme einer erheblichen Einschränkung der Nebenklägerin in der Bildung und Äußerung ihres Willens für alle vier Tatkomplexe tragfähig begründet. Gleiches gilt für seine Feststellung, wonach alle Angeklagten diesen Zustand erkannten und ausnutzten. Auch die Verfahrensbeanstandung, mit der ein Angeklagter rügte, dass die gemäß § 247a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 StPO audiovisuell durchgeführte Einvernahme der Nebenklägerin nicht wie erforderlich gerichtlich angeordnet worden sei, blieb erfolglos.
Das Urteil des Landgerichts Hamburg ist damit rechtskräftig.
Vorinstanz:
Landgericht Hamburg - Urteil vom 28. November 2023 - 617 KLs 27/21 jug.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
1. …
2. der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3. - 5. …
(3) - (4) …
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
1. - 2. …
3. eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
§ 247a Abs. 1 StPO – Anordnung einer audiovisuellen Vernehmung von Zeugen
(1) Besteht die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen, wenn er in Gegenwart der in der Hauptverhandlung Anwesenden vernommen wird, so kann das Gericht anordnen, dass der Zeuge sich während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhält; eine solche Anordnung ist auch unter den Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 zulässig, soweit dies zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Die Aussage wird zeitgleich in Bild und Ton in das Sitzungszimmer übertragen. Sie soll aufgezeichnet werden, wenn zu besorgen ist, dass der Zeuge in einer weiteren Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. § 58a Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.
Karlsruhe, den 12. Mai 2025
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