Geraer Mordfall wird neu aufgerollt 22.01.2010 - 14:15 Uhr
Auch nach 27 Jahren versucht die Kripo Gera, das Schicksal eines kleinen Mädchens zu klären. Die Staatsanwaltschaft Gera rollt jetzt einen Mordfall neu auf, der 27 Jahre zurückliegt. Ungeklärte Todesfälle, so sagt Sprecher Ralf Mohrmann, werden nie einfach ins Archiv gelegt.
Im November 1983 erschütterte der Fall der erst vierjährigen Michaela die Stadt. In der Lindenstraße, unweit der Wohnung der Eltern, hatte das Mädchen mit einer Gleichaltrigen gespielt, dann war sie plötzlich spurlos verschwunden. Ihre Spielgefährtin, die einzige unmittelbare Zeugin, erzählte, ein Onkel habe Michaela mit sich genommen. Das Kind wurde nie gefunden.
Einen Tatverdächtigen bekam die Kripo nie hinter Schloss und Riegel.
Eine Großfahndung hatte der Fall damals ausgelöst. Die Ermittlungen füllen bis heute 16 Bände. Die Akte ist nie geschlossen worden, sagt der zuständige Staatsanwalt Jens Wörmann.
Dass das Mädchen noch lebt, glaubt niemand. Man geht von Mord aus. Auch weil die Kripo schon damals einen Mann im Visier hatte, der noch heute als Hauptverdächtiger gilt. Doch dank eines vermeintlichen Alibis rückte er 1983 aus dem Fokus der Ermittlungen.
Erst vier Jahre später, 1987, als der gelernte Betonbauer im Streit seine Freundin ermordete, verdichteten sich die Hinweise. Bekannte hatten Reste roter Gummistiefel im Ofen in der Wohnung des Mannes gefunden; rote Gummistiefel hatte auch die kleine Michaela getragen.
Ein Psychologe traute ihm die Tat zu. Und der heute 55-Jährige beschrieb die Farben der Kindersachen, obwohl die Fahndungsfotos nur schwarz-weiß waren. Täterwissen, sagt Wörmann.
Dann gestand der Mann. Kein Grund zur Freude für die Kripo. Er tischte sieben verschiedene Versionen auf, die zum Teil nicht zutrafen oder unmöglich waren, zum Schluss widerrief er alles, liest Wörmann aus den Akten. Die Polizei habe auf der Anklage beharrt. Die Staatsanwaltschaft jedoch legte den Fall zur Seite, weil die Indizien nicht ausreichten. Das alles war sehr unbefriedigend für uns, erinnert sich heute noch ein Kriminalpolizist.
1993 wurde das Verfahren auf Betreiben der Polizei wieder aufgenommen, doch wenig später aus den bekannten Gründen erneut eingestellt. Ein Mord ohne Leiche ist schwierig zu klären, wenn kein glaubwürdiges Geständnis vorliegt, kommentiert Wörmann.
Jetzt ermittelt die Kripo wieder. Ein Polizist, der nicht mit dem Fall befasst war, soll unvoreingenommen prüfen, ob es nicht doch Anhaltspunkte zur Klärung der Tat gibt.
Der Hauptverdächtige sitzt unterdessen seit 23 Jahren wegen des Frauen-Mordes in Haft. Und er gilt weiter als gefährlich. Prüfungen, ob die Reststrafe auf Bewährung auszusetzen ist, endeten bislang mit einer Ablehnung.