Shinchonji-Kirche Shinchonji-Kirche: Missionierung mit Tarnkappe
Gregor HaschnikvonGregor Haschnik
Die Shinchonji-Bewegung und ihre Organisationen wenden Geheimdienstmethoden an und breiten sich verstärkt aus. Die Folgen für Opfer sind gravierend.
Vom Inhalt her könnte der Bogen von einem Geheimdienst stammen, nur der Name, der ganz oben steht, ist eigenartig: „Früchteinformationsformular“. Darauf werden Dutzende Daten und Einschätzungen über Menschen gesammelt. Neben Adresse und Mobilnummer sind Beziehungsstatus, Finanzen, Arbeitszeit, psychische Gesundheit, Social-Media-Nutzung, Lebenskrisen, Tiefe der Beziehung zur Familie und „negative Faktoren“ wie eine Schwangerschaft zu durchleuchten. Penibel, auch mit Hilfe von Skalen. Wie stark sind die Eigenschaften ausgeprägt, die auf einen dynamischen „Mover“ zutreffen?
Das interne Dokument gewährt einen echten Einblick in die Welt der koreanischen Shinchonji-Kirche und ihrer angeblich lockeren Tarnorganisationen. Die Werber, „Schnitter“ genannt, erheben solche Informationen über Leute, die missioniert werden. Offenbar auch, um Schwachstellen zu identifizieren und zielgerichtet vorgehen zu können.
Vor gut einem Jahr hatte die FR die Aktivitäten der sektenartigen Gruppierung in Frankfurt öffentlich gemacht. Hier ist das deutsche Zentrum der Bewegung, in deren Mittelpunkt Lee Man-hee steht, der als Einziger die Bibel richtig interpretieren könne.
„Die Zahl der Beratungsfälle und deren Dramatik nimmt stark zu“, sagt Oliver Koch, Beauftragter für Weltanschauungsfragen im evangelischen Zentrum Oekumene. Er berichtet von körperlichen und seelischen Zusammenbrüchen, zerstörten Beziehungen, verzweifelten Familien, hochqualifizierten Akademikern, die ihren Beruf aufgeben, um genug Zeit zum Missionieren zu haben.
In diesem Jahr nahmen bereits 36 Aussteiger und Angehörige von Mitgliedern Kontakt zu Koch auf, weil sie dringend Hilfe brauchen. Bei seinem katholischen Kollegen Johannes Lorenz aus dem Haus am Dom waren es allein im Mai vier Fälle. Insider beschreiben Shinchonji als Sekte, die Menschen isoliert, psychisch unter Druck setzt, zeitlich sowie finanziell ausbeutet, bis viele zusammenbrechen. Sie müssen nach der Arbeit fast täglich Bibelkurse besuchen, nächtelang lernen, intensiv missionieren und immer wieder Prüfungen bestehen. Denn man muss mehrere Stufen durchlaufen, um zu den Auserwählten zu gehören, die vor dem Untergang gerettet werden.
Koch schätzt, dass die Zahl der Mitglieder in Frankfurt deutlich gestiegen ist, auf etwa 400 bis 500. In Berlin sollen es etwa 100 Anhänger weniger sein. Die Expansion ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass die „Schnitter“ persönliche Kontakte nutzen oder in Einkaufszentren werben, sondern besonders auf die „Tarnorganisationen von Shinchonji und ihre Strategien“, erklärt Koch. Diese setzen wohl wegen der brisanten weltpolitischen Lage – und weil es sich gut anhört – verstärkt auf die Themen Frieden, Jugend, interreligiöser Dialog. Aktuell sind dies „Heavenly Culture, World Peace, Restoration of Light“ (HWPL) – kürzlich fand ein „Friedensmarsch“ durch Frankfurt mit Flashmob statt – und das International Peace Forum (IPF), das mit „Grill and Chill“-Veranstaltungen mehrere Hundert Teilnehmer lockt. Hinzu kommt die International Peace Youth Group (IPYG).
Man-Hee Lee, Führer der Shinchonji-Kirche, hält sich für den Heilsbringer. Er versucht seiner Organisation einen seriösen Anstrich zu geben. Doch was will die Kirche Shinchonji wirklich?
Missionierung mit Prominenten: Eine Tarnorganisation der umstrittenen koreanischen Shinchonji-Kirche lädt zu einem Friedensforum ein.
„Mir sagen seriöse Friedensgruppen, dass dort keine nachhaltige Friedens- oder Dialogarbeit betrieben wird“, so Koch. Shinchonji werte andere Religionen ab. Bei den Events gehe es darum, vor allem engagierte junge Leute anzusprechen, Seriosität zu suggerieren und schöne Fotos zu machen, mit denen sich im Netz gut Werbung machen lässt.
Viele attraktive Frauen und Männer sind darauf zu sehen, mit Wurzeln in verschiedenen Ländern. Die nette Atmosphäre, der internationale Charakter und das Gefühl, sich für etwas Gutes einzusetzen, ziehen. Für Juni ist eine große Veranstaltung geplant, bei der mehrere Gemeinden zusammenkommen und eine geistige Einheit bilden sollen.
Das IPF kooperiert mit einer Bibelschule, die im selben Bürogebäude im Frankfurter Westen angesiedelt ist wie die Zion-Gemeinde und neuerdings auch Onlinekurse für jeweils 50 Euro anbietet. Nach Berichten von Aussteigern, die durch Unterlagen und offensichtliche personelle Verflechtungen gestützt werden, hängen die Institutionen zusammen. Namen und Standorte werden geändert, die wahre Identität verschleiert. Vor etwa einem Jahr hieß die Bibelschule in der Mainzer Landstraße noch „International Bible College“, die „Fassadengemeinde“ im Gallus früher „Frankfurter Friedensgemeinde“.
Koch betont, er lege großen Wert auf Religionsfreiheit. Was er bei Shinchonji scharf kritisiere, sei, neben den häufig gravierenden Folgen, die Intransparenz. Welche Akteure und Lehren hinter den Initiativen stecken, erfahren die Interessierten lange nicht. Für ihre Gaben – für den Bibelkurs werden 200 Euro fällig, feste Mitglieder zahlen „den Zehnten“ – hat keiner der Koch bekannten Aussteiger eine Quittung bekommen, auch auf Nachfrage nicht.
Dass die Gruppen keineswegs so harmlos sind, wie sie vorgeben, deutet eine Art Resolution an, die Eingeweihte unterschreiben müssen. Darin heißt es: „Ich glaube daran, dass Abfall von Shinchonji die Hölle bedeutet, und werde bis zum Ende ein Heiliger sein, der den Neuen Bund hält.“
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Anmerkung: Der Bericht stammt zwar aus Mai 2019, in den Nachrichten wurde das Thema gestern allerdings angeprochen.
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