Mo., 02.12.2019 Profiler des Landeskriminalamts sollen neue Ermittlungsansätze finden - Kripo meldet 50 ungeklärte Morde in OWL
Von Christian Althoff
Bielefeld/Lübbecke/Halle/Bad Salzuflen (WB). Die Kripo Bielefeld wird etwa 50 ungeklärte Mordfälle aus 25 Jahren in eine neue Datenbank des Landeskriminalamts für „Cold Cases“ eingeben. „Darunter werden auch die Fälle Frauke Liebs, Nelli Graf und Sandra Zimmermann sein“, sagt Polizeisprecherin Sonja Rehmert.
2018 gab es in NRW 461 „Straftaten gegen das Leben“, wie die Fälle in der Kriminalstatistik heißen. In 304 dieser Fälle blieb es beim Versuch. Die Aufklärungsquote bei Straftaten gegen das Leben ist sehr hoch. So wurden 2018 in NRW fast 97 Prozent dieser Verbrechen geklärt. Das liegt auch daran, dass sich Opfer und Täter in der Mehrzahl der Fälle kannten (sogenannte Beziehungstaten), vielleicht sogar verwandt waren. Deutlich schwieriger werden die Ermittlungen, wenn der Täter ein Fremder ist – ein Einbrecher vielleicht, ein Räuber oder ein Sexualtäter. Dann müssen die Akten oft geschlossen werden, weil keine Ermittlungsansätze mehr zu erkennen sind. Landesweit wurden seit 1970 etwa 1100 Tötungsdelikte nicht aufgeklärt
Mord verjährt nicht, Totschlag schon
Das Landeskriminalamt (LKA) in Düsseldorf begann 2018 damit, eine Datenbank für ungeklärte Mordfälle aufzubauen. Zunächst sollen die Fälle ab 1990 erfasst werden. Dazu müssen die 16 sogenannten Kriminalhauptstellen (in Ostwestfalen-Lippe ist es das Polizeipräsidium Bielefeld) die Akten ihrer ungeklärten Fälle einscannen – oft mehreren tausend Seiten. Diese digitale Akte geht dann ans Landeskriminalamt. Die Originalakte sowie Asservate wie Fingernägelabschnitte von Opfern, an denen sich Täterspuren befinden könnten, Tatwaffen, DNA-Spuren, etc. bleiben in der Kriminalhauptstelle.
LKA-Sprecher Frank Scheulen: „Als erstes schaut sich ein Profiler an, ob es Merkmale eines Mordes gibt, oder ob auch Totschlag vorliegen könne.“ Von Mord geht man etwa aus, wenn jemand aus Habgier getötet wurde, aus sexuellen Motiven oder heimtückisch. Weil Mord nicht verjährt, Totschlag schon, bekommen die mutmaßlichen Totschlagsfälle Priorität.
Scheulen: „Wir haben zehn Profiler beim Landeskriminalamt. Das sind besonders erfahrene Ermittler. Sie schauen, ob es inzwischen Techniken gibt, mit denen Asservate anders untersucht werden können als früher. Daraus könnten sich neue Hinweise auf einen Täter ergeben.“ Die Strafprozessordnung, die gerade überarbeitet wird, soll es zum Beispiel erlauben, aus DNA-Spuren Haut-, Augen- und Haarfarbe des Täters zu ermitteln. Scheulen: „Der Profiler guckt aber auch, ob er irgendwo in der Akte einen Ermittlungsansatz findet, den die Mordkommission bisher nicht gesehen hat.“ In einem Altfall, den das Polizeipräsidium Bielefeld in die Datenbank eingestellt hat, rät das Landeskriminalamt zu einer neuen Fallanalyse. Um welchen Mord es sich handelt, möchte die Polizei im Moment noch nicht sagen. Weitere Fälle aus Ostwestfalen
Frank Scheulen: „Bisher haben uns die Kriminalhauptstellen 168 Fälle für die Datenbank geliefert. In fast jedem zweiten haben unsere Profiler Ansätze für weitere Ermittlungen entdeckt.“ Die Datenbank dient nicht nur zum Speichern der Altfälle, jeder Mordermittler aus NRW kann in der Datenbank auch recherchieren und zum Beispiel in fremden Fällen nach Parallelen suchen.
Zu den ungeklärten Fällen in Ostwestfalen-Lippe gehören auch diese: Witwe Irma Kaiser (83) aus Petershagen wurde 2012 in ihrem Haus erschlagen. BASF-Mitarbeiter Johann Isaak (44) wurde 2006 an seinem Arbeitsplatz in Minden mit einer vergifteten Fanta umgebracht. Lehrerin Susanne Nieter (38) wurde 2001 an ihrem einsam gelegenen Haus in Steinhagen erschlagen. Militariahändler Ingo Gratzik (37) und seine Frau Cornelia (44) wurden 2005 in ihrem Haus in Delbrück erschossen und angezündet. Und Taxifahrer Johannes »Hansi« Funke aus Salzkotten wurde 1994 erstochen und ausgeraubt.
LINKS: Frauke Liebs (21) aus Lübbecke wurde am 20. Juni 2006 in Paderborn verschleppt. Von ihrem Handy gingen in den folgenden Tagen SMS an ihren Exfreund, ihren Bruder und ihre Schwester. Vier Monate später wurde ihre Leiche in einem Wald in Lichtenau entdeckt. MITTE: Nelli Graf (46) aus Halle wurde am 16. Oktober 2011, zwei Tage nach ihrem Verschwinden, erstochen in einem Wald entdeckt – mit Hinweisen auf ein Sexualverbrechen. Augen und Mund der dreifachen Mutter waren mit Panzerband verklebt, die Hände gefesselt. RECHTS: Sandra Zimmermann (17) aus Bad Salzuflen trampte am 15. März 1992 von Bünde in ihre Heimatstadt, als die Kindergartenpraktikantin einem Sexualmörder in die Hände fiel. Ihre Leiche wurde am 10. Mai an der Freilichtbühne „Kahle Wart“ in Hüllhorst entdeckt.