Deutsches Ehepaar in Österreich verhaftet - Eltern ließen Tochter (13) nicht zum Arzt – jetzt ist sie tot
13.10.2019 - 10:57 Uhr
Krems ( Niederösterreich) – Sie muss unvorstellbare Schmerzen gehabt haben – doch die Eltern gewährten ihrer Tochter keine ärztliche Hilfe. Jetzt ist das 13-jährige Mädchen tot! Seine Eltern, ein deutsches Ehepaar, sitzen seit etwa zwei Wochen in Haft.
************************************************************************* *Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht* Mark Aurel *What goes arount - comes arount * Critical questioning never harms* *********************************************************************************** *Hervorhebung in Kommentaren durch den Verfasser *Äusserungen zu Fällen sind rein spekulativ*
Ermittlung Tote 13-Jährige in Niederösterreich: Prozess gegen Eltern startet am 12. Februar
39-Jährigem und seiner Frau wird Mord durch Unterlassung vorgeworfen
4. Jänner 2020, 11:30
Die Verdächtigen wurden bereits Ende September festgenommen. Foto: APA
Krems – Nach dem Tod einer 13-Jährigen im September 2019 im Waldviertel müssen sich die Eltern des Mädchens in wenigen Wochen vor dem Landesgericht Krems wegen Mordes durch Unterlassung verantworten. Der für zwei Tage anberaumte Prozess beginnt am 12. Februar, bestätigte Verteidiger Zaid Rauf auf APA-Anfrage einen Bericht der "Kronen Zeitung" (Samstagsausgabe).
Dem 39-jährigen Vater und seiner um vier Jahre jüngeren Frau wird vorgeworfen, die chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung der Tochter nicht behandeln haben zu lassen. Die Krankheit des Mädchens sei bei Einleitung entsprechender Schritte jedenfalls "beherrschbar gewesen", hieß es seitens der Staatsanwaltschaft. Die Unterlassung der Behandlung erfolgte nach Angaben der Anklagebehörde aus religiösen Gründen. Bekenntnis zu einer Freikirche
Laut Rauf bekennen sich die Beschuldigten zu einer Freikirche – "einer von etwa 4.000" weltweit. Dem Medienbericht zufolge nennt sich die betreffende Gemeinschaft "Gemeinde Gottes". Bereits Mitte Dezember hatten die Freikirchen in Österreich (FKÖ) erklärt, dass die Angeklagten weder Mitglieder noch Nahestehende der kirchlichen Gemeinde seien.
Das Kind starb am 17. September 2019, die Obduktion bestätigte die chronische Bauchspeichendrüsenentzündung als Grund. Wie die Staatsanwaltschaft Krems nach dem Bekanntwerden der Causa mitteilte, sah das Paar der 13-Jährigen im Haus der Familie beim Sterben zu. Dazu seien die Beschuldigten auch geständig, betonte Sprecher Franz Hütter im Oktober. "Die beiden wollten garantiert nicht, dass die Tochter stirbt", sagte Rauf, der die Angeklagten gemeinsam mit Rudolf Mayer vertritt, zur APA. Keinen Arzt zu holen, sei der Wunsch der 13-Jährigen gewesen.
Festgenommen wurden die Verdächtigen Ende September, sie sitzen aktuell in Untersuchungshaft. Neben Mord wird den Angeklagten auch das Quälen und Vernachlässigen einer unmündigen Person vorgeworfen. Mehrere Geschwister der Toten wurden nach Angaben der Kinder- und Jugendhilfe in einer Betreuungseinrichtung des Landes untergebracht. (APA, 4.1.2020)
Mordprozess: Eltern sahen 13-jähriger Tochter beim Sterben zu Wegen Mordes durch Unterlassung muss sich heute in Krems ein deutsches Ehepaar verantworten.
von Teresa Sturm
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Angeklagte geständig Franz Hütter, der Sprecher der Anklagebehörde, sprach von religiösen Gründen weswegen das Ehepaar der Tochter "beim Sterben zugesehen hat". Die Angeklagten seien geständig. Die beiden sitzen, seit sie im September festgenommen worden sind, in Untersuchungshaft. Die Geschwister des toten Mädchens wurden in einer Betreuungseinrichtung des Landes untergebracht. Ein Urteil wird für den 19. Februar am Landesgericht Krems erwartet.
CHRONIK | NIEDERÖSTERREICH
13-Jährige starb nach Entzündung: Eltern wegen Mordes angeklagt Angeklagten sollen auf Entlassung gedrängt haben Die Beschuldigten lebten laut Anklage vor der Inhaftierung rund sechs Jahre gemeinsam mit ihren sieben Kindern im Bezirk Krems. Die beiden deutschen Staatsbürger gehören der Glaubensgemeinschaft „Gemeinde Gottes“ an. Bis auf das verstorbene Mädchen ließen sie keines der Kinder jemals von einem Arzt untersuchen, zudem besuchte der Nachwuchs weder Kindergarten noch Schule.
Im Juni 2017 wurde die Bezirkshauptmannschaft Krems in einem Schreiben auf den schlechten Gesundheitszustand des Mädchens hingewiesen. Auf Drängen einer Sozialarbeiterin hin wurde die damals Zehnjährige in ein Krankenhaus in der Umgebung gebracht, wo ein lebensbedrohlicher Zustand diagnostiziert wurde. Rasch wurde das Mädchen ins SMZ-Ost nach Wien überstellt. Nach acht Tagen sollen die Angeklagten aber auf eine Entlassung der Tochter gedrängt haben. Trotz eindringlicher Warnungen der Ärzte unterschrieb der Vater einen Revers, woraufhin das Mädchen in häusliche Pflege übergeben wurde.
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Tote 13-Jährige in NÖ: Prozessstart am Mittwoch Eltern sollen Sterben beobachtet haben In den folgenden beiden Jahren ließen die Eltern das Kind nicht mehr medizinisch behandeln. Laut Anklageschrift verspürte das Mädchen in diesem Zeitraum immer wieder heftige Schmerzen und Übelkeit, eine altersadäquate Gewichtszunahme erfolgte nicht. Auch die Entzündung der Bauchspeicheldrüse verschlechterte sich stetig: Lebenswichtige Inselzellen starben ab, dies löste eine Zuckerkrankheit aus. Wäre das Mädchen im der Zeit von Sommer 2017 bis September 2019 regelmäßig medizinisch überwacht worden, hätte es ein annähernd normales Leben geführt, befindet die Staatsanwaltschaft.
Mitte September 2019 spitzte sich die gesundheitliche Lage der nunmehr 13-Jährigen zu. Im Beisein seiner Frau erklärte der 39-Jährige am 16. September seiner Tochter angesichts ihres schwachen Allgemeinzustandes laut Anklage, dass sie sterben würde. Am folgenden Tag erwachte die 13-Jährige nicht mehr aus einem diabetischen Koma. Die Eltern sollen das Sterben ihrer Tochter vom Krankenbett aus beobachtet haben.
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13-Jährige tot: Jugendamt hatte Betreuung der religiösen Familie beendet Eine Handlung soll aus religiösen Gründen unterblieben sein. „Wenn Gott es so will, dass sie stirbt, dann soll man von außen nicht eingreifen“, sagte der 39-Jährige laut Anklage einer Zeugin. In der Evolution setzte sich „nach Gottes Wille der Stärkere durch“.
Den Beschuldigten wird neben Mord durch Unterlassung auch das Quälen und Vernachlässigen einer unmündigen Person vorgeworfen. Im Fall einer Verurteilung drohen den beiden deutschen Staatsbürgern Freiheitsstrafen von zehn bis zu 20 Jahren oder lebenslang.
Eltern ließen Mädchen (13) sterben – es war kein Mord
Die Eltern, die für ihr sterbendes Kind keinen Arzt gerufen hatten, müssen nur je fünf Jahre in Haft. Denn die Geschworenen entschieden in Niederösterreich: Es war kein Mord. Tiefe Einblicke in die teils groteske Welt der erzkonservativen Familie gab es beim Mordprozess am Mittwoch in Krems: "Keine Mama möchte, dass ihr Kind stirbt. Ich habe auf Gott vertraut", so die gebürtige Deutsche. Auch sie habe einige Kinder im Spital entbunden, daher sei ein Krankenhaus nicht per se schlecht, aber im Fall ihrer Tochter habe sie eben voll und ganz auf Gott vertraut.
Gebetsmühlenartig sprachen Vater (39) und Mutter (35), beide Mitglieder der "Gemeinde Gottes", von Gott und dass nur der Allmächtige heilen könne. Trickfilme durfte die 13-Jährige nicht schauen, auch ein Schulbesuch blieb dem Mädchen verwehrt. Die Eltern waren ja extra aus Deutschland nach Österreich gekommen, um die Schulpflicht für ihre insgesamt sieben Kinder zu umschiffen. Den Lebensunterhalt bestritt das arbeitslose Paar aus der Familienbeihilfe und Zuwendungen aus der Gemeinde.
Keine Trickfilme
Die Eltern sprachen über die letzten Tage der 13-Jährigen. Der Vater berichtete, dass er erst kurz vor dem Tod seiner Tochter von seiner Missionierung in Afrika zurückgekommen sei. Beide waren sich einig: "Unsere Tochter wollte ja selbst keinen Arzt." Da wurden Anklägerin und Senatsbeisitzender grantig: "Allen Ernstes? Ihre 13-Jährige Tochter durfte keine Trickfilme schauen, soll aber in der Lage gewesen sein selbst zu entscheiden, ob sie einen Arzt brauche oder nicht?" "Naja, wir haben den Wunsch unserer Tochter respektiert", so die Eltern.
1 zu den Kommentaren Die Eltern meinten auch, dass ihre Tochter noch einen Tag vor dem Tod Trampolinspringen war: "Sie wirkte halt etwas angeschlagen", so die Mutter.
Unfassbar: Der Zustand der 13-Jährigen verschlechterte sich – wie berichtet – rapide. Die Eltern saßen nur neben dem Bett der 13-Jährigen, beteten und beteten und beteten. Selbst als die Kleine vor Schmerzen schrie und schließlich ins diabetische Koma fiel reichten sich die Eltern nur die Hände zum Gebet.
"Würde jetzt Arzt rufen"
Im Laufe der Verhandlung war dann doch so etwas wie eine Einsicht zu merken. "Aus jetziger Sicht würde ich doch einen Arzt rufen", betonte die Deutsche. Gutachter Wolfgang Denk sprach von einem dramatischen Verfall der 13-Jährigen in ihren letzten Lebenstagen.
Wie mehrmals berichtet laborierte die 13-Jährige an einer chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung, war bereits 2017 dem Tode nah, wog damals nur noch 22 Kilogramm, durfte aber, nach Drängen einer Sozialarbeiterin, eine gute Woche ins Wiener SMZ Ost und wurde behandelt. Die Eltern unterschrieben einen Revers, die 13-Jährige war danach nie mehr in ärztlicher Behandlung.
Im September verschlechterte sich der Zustand der Kleinen, am 16. September konnte sie nicht mehr essen, gehen, schrie vor Schmerzen, am 17. September starb das Mädchen.
Zu hinterfragen ist auch die Rolle der Behörden. Denn: Alle sieben Kinder waren nie in einem Kindergarten oder einer Schule, der Spitalsaufenthalt der 13-Jährigen im Jahr 2017 passierte ja nur auf Drängen einer Sozialarbeiterin. Eine engmaschige Kontrolle der Familie fand dann eben nicht statt.
Von Mordanklage im Zweifel freigesprochen
Am Dienstagnachmittag zogen sich die Geschworenen zur Urteilsberatung zurück. Sie mussten entscheiden, ob das passive Verhalten der Eltern als Mord zu werten war. Die Laienrichter entschieden schließlich mit vier zu vier Stimmen im Zweifel für die Angeklagten (Anm.: also vier für Mord, vier gegen Mord). Es war also kein Mord, sondern eine Vernachlässigung mit Todesfolge.
Das Urteil: Je fünf Jahre Haft. Die Staatsanwaltschaft meldet jedoch Rechtsmittel an – somit nicht rechtskräftig.
Übrigens: Die Höchststrafe für Vernachlässigung mit Todesfolge wäre zehn Jahre Haft gewesen. Bei Ersttätern nimmt man in der Regel rund ein Drittel der Höchststrafe an - in diesem Fall ist es genau die Hälfte.