Jahrelang junge Patienten missbraucht Polizei beendet Ermittlungen gegen Würzburger Logopäden
Eine Würzburger Kindertagesstätte wird durchsucht, ein Logopäde verhaftet. Der Mann soll Buben sexuell missbraucht und pornografische Bilder im Darknet verbreitet haben. Monate später gibt es Hinweise auf weitere Kinderporno-Fälle.
Bamberg/Würzburg (dpa) – Im Würzburger Kinderporno-Fall hat die Polizei ihre Ermittlungen abgeschlossen. Die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Würzburg könne Anfang 2020 beginnen, teilte die Zentralstelle Cybercrime der Staatsanwaltschaft in Bamberg am Montag zusammen mit Justizminister Georg Eisenreich (CSU) mit.
Ein 37-jähriger Logopäde soll in Kindergärten und Praxen innerhalb von sieben Jahren sieben Buben im Alter von unter sechs Jahren sexuell missbraucht haben, hieß es bei der Präsentation. Anschließend soll er Bilder und Videos im sogenannten Darknet, einem versteckten Teil des Internets, verbreitet haben. Der Therapeut war im März verhaftet worden.
Opfer ohne Widerstandskraft Viele der Kinder hatten laut Staatsanwaltschaft Behinderungen oder Entwicklungsstörungen. «Wir können davon ausgehen, dass der Täter sich gezielt Opfer rausgesucht hat, bei denen zu erwarten war, dass sie sich nicht an Eltern oder Erzieher wenden», sagte Staatsanwalt Thomas Janovsky. Zwei Kindertagesstätten und zwei Praxen des Sprachtherapeuten seien Tatorte gewesen.
Der Therapeut verging sich nach Angaben der Ermittler am nächsten Opfer in der Regel erst, wenn das vorherige Kind die Einrichtung verlassen hatte. Der erste Missbrauch soll Anfang 2012 stattgefunden haben. Insgesamt gebe es Hinweise auf 78 Missbrauchstaten, davon 45 Mal schwerer sexueller Missbrauch. Der anfänglich ebenfalls verdächtige Ehemann des Therapeuten wusste offenbar nichts davon; auch keiner der Kita-Mitarbeiter.
Fälle in anderen Ländern aufgedeckt Auch Ermittler in anderen Regionen und Ländern sind im Einsatz, etwa in den USA. Denn bei dem Therapeuten gefundene, nicht von ihm selbst gemachte Aufnahmen lieferten der Staatsanwalt zufolge Hinweise auf weitere Kinderporno-Fälle. Darunter sei eine im europäischen Ausland aufgenommene Serie von Buben in Windeln. Der Täter habe identifiziert und eine weitere geplante Tat verhindert werden können. Insgesamt seien aufgrund des Würzburger Bildmaterials bisher zehn Beschuldigte ermittelt worden; eine Vielzahl von Spuren müsse aber noch ausgewertet werden.
«Wir wollen den Täter haben, aber auch die Szene verunsichern», sagte der Staatsanwalt. Sie solle merken, dass auch das Darknet nicht sicher sei. 23.000 Fotos und Videos waren bei dem Therapeuten gefunden worden. Eine Sonderkommission mit mehr als 60 Polizeibeamten, drei Staatsanwälten und mehreren IT-Forensikern sichtete sie.
«Keuschheitsproben» Justizminister Eisenreich forderte anlässlich des Würzburger Falls bundesweit Veränderungen, um besser gegen Kinderpornos und allgemein Cyber-Kriminalität vorgehen zu können. Erstens sollten Straftaten in der digitalen Welt ebenso hart bestraft werden können, wie in der analogen Welt. Zweitens sollten auch Versuche strafbar sein. Drittens forderte der Minister mehr Überwachungsmöglichkeiten. Unter anderem soll Ermittlern erlaubt werden, computergenerierte kinderpornografische Bilder als sogenannte «Keuschheitsproben» im Netz abzugeben. Diese werden auf Plattformen von neuen Personen gefordert, bevor sie Mitglied werden dürfen.
In Würzburg hat der Fall Diskussionen darüber ausgelöst, inwiefern Therapeuten und andere Erwachsene in Kitas mit einzelnen Kindern alleine sein sollten. Staatsanwalt Janovsky lobte, dass die Polizei in diesem Fall die Eltern direkt über die mutmaßlichen Taten und den vermuteten Umfang informiert habe.
Würzburg Logopäde wegen Kindesmissbrauchs zu mehr als elf Jahren Haft verurteilt Er missbrauchte in seinen Praxen und zwei Kindergärten sieben Jungen, seine Taten filmte er und veröffentlichte sie online. Nun hat das Landgericht Würzburg einen Sprachtherapeuten schuldig gesprochen. 25.05.2020, 16.27 Uhr
Wegen des sexuellen Missbrauchs von sieben behinderten Jungen hat das Landgericht Würzburg einen Logopäden zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und vier Monaten verurteilt. Zudem verhängte das Gericht ein lebenslanges Berufsverbot für die Behandlung minderjähriger Jungen.
Viele Übergriffe fanden den Ermittlern zufolge in zwei Würzburger Kitas statt, in denen der Sprachtherapeut den damals zwei bis sechs Jahre alten Kindern eigentlich beim Verständigen helfen sollte. Der Fall zählt zu den schlimmsten bekannten Missbrauchsdelikten in Bayern. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (Az. 510 Js 541/19 jug).
Die Anklage hatte für den 38-Jährigen 13 Jahre und 9 Monate Freiheitsstrafe verlangt. Einige Nebenklagevertreter hatten sich dieser Forderung angeschlossen, darüber hinaus aber auch eine Sicherungsverwahrung gefordert. Diese wird in der Regel angeordnet, um die Allgemeinheit auch nach Verbüßung einer Haftstrafe vor dem Täter zu schützen. Die Verteidigung plädierte für eine Freiheitsstrafe von neun Jahren und acht Monaten.
Fast 23.000 Dateien mit Missbrauchsinhalten Ein Großteil des Prozesses fand zum Schutz der Opfer hinter verschlossenen Türen statt. In dem Verfahren vor der Großen Jugendkammer hatte der Angeklagte zu Prozessauftakt Anfang März gestanden, sich jahrelang an den Jungen vergangen zu haben - während die anderen Kinder in Nebenräumen spielten. In mehr als 60 Fällen davon waren die Übergriffe derart massiv, dass der Mann unter anderem wegen schweren sexuellen Missbrauchs angeklagt war.
Ein psychiatrischer Gutachter in dem Verfahren hatte den Angeklagten für therapierbar erklärt, aber nicht für vermindert schuldfähig. Der 38-Jährige hatte die Taten gefilmt und online im Darknet verbreitet, so kamen ihm die Ermittler auf die Spur. In seiner Wohnung stellten Polizisten fast 23.000 Dateien mit Missbrauchsinhalten sicher. mxw/dpa