Direkte Links sind erlaubt, Einbetten unter Umständen auch: Der Europäische Gerichtshof konkretisiert in einem ersten Urteil eine alte EG-Richtlinie fürs Facebook-Zeitalter. Tenor: Staaten sollten die Rechte von Urhebern nicht durch extreme Auslegungen allzu sehr ausweiten.
Von Konrad Lischka
Donnerstag, 13.02.2014 12:43 Uhr
Luxemburg - Wer im Netz ein Suchportal mit Links zu Artikeln betreibt, braucht dafür keine Erlaubnis der Urheber der Texte. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden. Der Fall dürfte eine Orientierung für weitere Entscheidungen über das Einbetten von Videos und Fotos im Netz sein. Denn bei dem nun entschiedenen Fall ging es um eine grundsätzliche Frage: Was bedeutet öffentliches Zugänglichmachen online?
In dem Fall hatte ein schwedischer Journalist gegen einen Artikelsammeldienst geklagt. Der Dienst bietet Kunden gegen Zahlung Medienbeobachtung an. Die Abonnenten erhalten Links zu online erschienenen Zeitungsartikeln zu bestimmten Themen oder Schlagworten, die sie abonniert haben. Der Journalist wollte Geld von dem Dienstleister, sein Argument: Die Linksammlungen seien eine neue Art der Veröffentlichung seiner urheberrechtlich geschützten Werke. Dafür müsse der Mediendienstleiter zahlen.
Das oberste schwedische Gericht Svea hovrätt hat diesen Fall dem EuGH mit mehreren Fragen weitergeleitet. Grund dafür ist eine vage formulierte EG-Richtlinie aus dem Jahr 2001. Darin heißt es, dass Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die "öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke (…)" zu erlauben oder zu verbieten. Aus dieser Formulierung könnte man ein Recht für den Journalisten herauslesen, dem Artikelsammeldienst die Verlinkung zu untersagen oder zu genehmigen.
Wer Öffentliches verlinkt, muss nicht fragen
Die Richter am EuGH sehen das nicht so. Sie konkretisieren die Richtlinie so:
Wenn ein Portal - wie der Artikelsammeldienst - Texte verlinkt, ist das eine öffentliche Zugänglichmachung der Werke. Dennoch urteilt der EuGH, dass der Portalbetreiber keine Erlaubnis zum Verlinken braucht. Denn in dem konkreten Fall seien die Artikel auf der verlinkten Website frei zugänglich.
Aus dieser Besonderheit schlussfolgern die Richter: Das verlinkte Angebot richtet sich an ein großes, allgemeines Publikum, diese vom Betreiber angesprochene Zielgruppe schließe auch die Nutzer des verlinkenden Portals ein. Deshalb müsse der Verlinkende keine Erlaubnis einholen - er schaffe kein neues Publikum. Der EuGH formuliert diese Differenzierung in seiner Mitteilung so: "[...] sind die Nutzer der Seite von Retriever Sverige nämlich als Teil der Öffentlichkeit anzusehen, die die Journalisten hatten erfassen wollen, als sie die Veröffentlichung der Artikel auf der Seite der Göteborgs-Posten erlaubten".
Der EuGH äußert sich am Rande auch vage zum Einbetten von Inhalten. In dem schwedischen Fall war es offenbar so, dass man beim Klick auf einen Artikellink den Eindruck haben konnte, weiter auf der Seite des Portalbetreibers zu sein, obwohl der angezeigte Text direkt aus dem Archiv des verlinkten Mediums kam. So eine Art von Einbetten ist laut EuGH nicht genehmigungspflichtig, wenn dasselbe Publikum erreicht wird.
Grenzen des Rechts auf freies Verlinken
Die EuGH-Entscheidung formuliert auch Schranken für dieses Recht aufs Verlinken und Einbetten. Das Gericht schreibt, es hätte anders entschieden, wären die verlinkten Artikel in dem Fall in irgendeiner Form mit einer Zugangsbeschränkung versehen gewesen. Das Gericht argumentiert wieder mit der Größe der angesprochenen Publikums: Wenn ein Urheber Maßnahmen ergreift, um die Wiedergabe nur auf eine bestimmte Zielgruppe (zum Beispiel Abonnenten) zu beschränken, darf ein Verlinkender diese "beschränkenden Maßnahmen" nicht ohne Erlaubnis umgehen.
Der Tenor des Urteils lässt sich als Plädoyer für ein freies Netz lesen, in dem öffentlich zugängliche Inhalte grundsätzlich verlinkt und eingebettet werden dürfen. Der Gerichtshof stellt in seiner Mitteilung fest: Mitgliedstaaten haben nicht das Recht, den Schutz der Rechteinhaber durch Erweiterung des Begriffs der "öffentlichen Wiedergabe" zu verschärfen. Dadurch entstünden "rechtliche Unterschiede und somit Rechtsunsicherheit".
Wasserfilter-Urteil wird Einbettung klären
Dem EuGH liegt ein vergleichbarer Fall zur Entscheidung vor. In dem Fall geht es nicht um Links auf Artikel, sondern um ein eingebettetes YouTube-Video. Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren wegen eines Werbefilms für Wasserfilter dem EuGH vorgelegt (Az I ZR 46/12). Die Bundesrichter wollen vom EuGH eine Auslegung der EG-Richtlinie, um die es auch beim jetzigen Urteil ging. Die Frage: Ist das Einbinden eines Videos so etwas wie ein einfaches Verlinken?
Der deutsche Fall hat die Besonderheit, dass der Urheber das Werk nicht selbst bei YouTube hochgeladen hat. Mit der Publikumsdefinition des EuGH allein kommt man in diesem Fall also nicht weiter. Das Wasserfilter-Urteil dürfte für Internetnutzer noch größere Bedeutung als die Entscheidung über das Artikelportal haben. Denn wer weiß schon, ob die bei Facebook eingebetteten lustigen Katzenvideos wirklich vom Urheber veröffentlicht wurden?
EUGH: EINBINDEN FREMDER INHALTE IM WEB IST KEINE URHEBERRECHTSVERLETZUNG! Darf man Bilder, Videos und andere Inhalte in seine eigene Webseite oder auf den eigenen Facebook-Auftritt mittels Framing einbinden und zeigen? Der Europäische Gerichtshof meint ja und dürfte damit zu Alpträumen bei Urhebern und Rechteverwertern sorgen.
Ausgangspunkt
Kaetana/Shutterstock.com Kaetana/Shutterstock.com Nimmt man ein Bild, ein Video oder einen anderen urheberrechtlich geschützten Inhalt, kopiert diesen und baut ihn ohne Zustimmung des Urhebers in die eigene Webseite ein, so liegt hierin urheberrechtlich eine Vervielfältigung und eine öffentliche Wiedergabe. Erfolgt diese ohne Zustimmung des Urhebers liegt darin eine Urheberrechtsverletzung. Soweit, so bekannt.
Nimmt man nun ein Bild, ein Video oder einen anderen urheberrechtlich geschützten Inhalt, kopiert diesen aber nicht, sondern bettet den Inhalt unmittelbar mittels Framing auf die eigene Webseite ein, so fehlt es an der Vervielfältigung, obwohl es für den Internetnutzer im Ergebnis gleich aussieht. Aber was ist mit der öffentlichen Wiedergabe? Liegt eine solche vor, wenn der Inhalt bereits im Netz war?
Der konkrete Fall
Ein Anbieter von Wasserfiltersystemen hatte ein Video zu Werbezwecken herstellen lassen und wohl auf der eigenen Internetseite veröffentlicht. Der Film landete auf YouTube, allerdings ohne Zustimmung des Wasserfilteranbieters.
Zwei für die Konkurrenz tätige Handelsvertreter schien der Film zu gefallen, jedenfalls bauten sie das YouTube Video auf ihren eigenen Internetseiten mittels eines Links in Form des Framings ein, so dass das Video auf deren Seite abspielbar war.
Hiergegen wehrte sich der Wasserfilteranbieter, da er hierdurch seine Urheberrechte verletzt sah.
Entscheidung des Gerichts
im darauf folgenden Rechtsstreit ging es letztlich noch um die Frage, ob in der Einbindung des YouTube Videos auf die Webseiten der Handelsvertreter eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Urheberrechts liegt. Der BGH legte diese Frage dem EuGH zur Entscheidung vor.
Der EuGH (Beschluss vom 21.10.2014 – Az. C-348/13) hat hierzu nun entschieden, dass hierin keine öffentliche Wiedergabe liegt.
Eine urheberrechtlich relevante öffentliche Wiedergabe liege nur vor, wenn entweder ein geschütztes Werk mittels eines anderen technischen Verfahrens verwendet oder für ein neues Publikum wiedergegeben werde.
Wurde ein Werk wie im vorliegenden Fall bereits im Internet frei zugänglich veröffentlicht, liege keine öffentliche Wiedergabe im urheberrechtlichen Sinne vor, da das Werk ja bereits öffentlich wiedergegeben sei. Auch richte sich die Wiedergabe nicht an ein neues Publikum, da jeder der Inhalte frei zugänglich ins Internet einstelle, sich an alle Internetnutzer als Publikum richte.
Was bedeutet das nun?
Bindet man fremde Inhalte die im Internet frei zugänglich verfügbar sind in die eigene Webseite ein, liegt hier nach Auffassung des EuGH darin keine öffentliche Wiedergabe und damit im Regelfall auch keine Urheberrechtsverletzung. Man darf nach Auffassung der Luxemburger Richter also getrost YouTube Filme auf die eigene Webseite oder auf Facebook einbinden. Gleiches gilt dann wohl auch für Bilder und Texte.
In dem zu entscheidenden Fall war das Werk auch ohne Zustimmung des Urhebers auf YouTube gelandet, so dass es wohl auch nicht von Bedeutung ist, wenn es sich bei der Quelle des Links um eine illegale Kopie handelt, solange das Werk einmal irgendwo mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht wurde. Damit wären wohl allenfalls solche Inhalte ausgeschlossen, die niemals mit Zustimmung des Urhebers im Netz gelandet sind.
Dies dürfte bei Bildagenturen und anderen Rechteinhabern die Alarmglocken klingeln lassen, da dies ohne weitere technische Schutzmaßnahmen bedeutet, dass z.B. ein Bild welches einmal mit Zustimmung des Rechteinhabers im Netz frei zugänglich gelandet ist, jedermann das Bild mittels Framing bei sich einbinden kann. Wurde es zwischenzeitlich illegal kopiert sind zudem auch Framinglinks auf die illegale Kopie wohl zulässig.
Fazit
Auch wenn die Entscheidung für Soziale Netzwerke wie Facebook und Co. für die Nutzer zu begrüßen ist, da die Nutzer nun nicht mehr als Urheberrechtsverletzer dastehen, ist das Ergebnis der Entscheidung in seiner Tragweite für die Urheber doch verheerend.
Ein Urheber der seine Inhalte einmal frei zugänglich ins Netz stellt verliert faktisch die Rechte an der weiteren Verbreitung. Er kann nur mit technischen Maßnahmen entgegenwirken oder das verlinkte Ausgangswerk löschen. Letzteres hilft ihm allerdings nur, wenn der Inhalt zwischenzeitlich nicht (illegal) kopiert wurde.
Sofern der Gesetzgeber hier nicht eingreift, dürfte dass das Ende mancher Geschäftsmodelle für Urheber im Netz bedeuten.