Von Nicole Donath Halle. Wer hat Nelli Graf ermordet? Das ist die Frage, die die Mordkommission »Ahorn« klären will. Und wenngleich manchmal Tage oder sogar Wochen vergehen, in denen man von Kriminalhauptkommissar Ralf Östermann und seinen Kollegen nicht viel hört, so arbeitet das achtköpfige Expertenteam, das seinen Sitz im Polizeipräsidium Bielefeld hat, dennoch mit Hochdruck an der Aufklärung des Falls und fügt das große Puzzle zusammen. Stück für Stück.
„Vor allem nach dem Leichenfund am 9. Februar hatten wir viele Anrufe”, berichtet Ralf Östermann. „Das Problem dabei ist, dass man am Telefon nicht einschätzen kann, welche Qualität die Anrufe haben, wie gehaltvoll die Hinweise sind. Natürlich prüfen wir aber alle sehr sorgfältig.” Darüber hinaus bewerten die Beamten gerade intensiv alle Akten, die sie in den Monaten nach dem Verschwinden der 46-Jährigen angelegt hatten, angesichts der neuen Erkenntnisse noch einmal von Grund auf neu.
„Das sind rund 50 Leitz-Ordner”, erklärt Ralf Östermann und macht deutlich, wie arbeits- und zeitintensiv diese Arbeit ist. „Nicht zuletzt haben wir in Düsseldorf zwei Eisen im Feuer: Zum einen erstellen Fallanalytiker des Landeskriminalamtes zurzeit ein Täterprofil, zum anderen versuchen Wissenschaftler DNA-Spuren zu finden, die der Täter an der Leiche der 46-Jährigen sowie am Fundort in Kölkebeck hinterlassen hat.” Das sei mit Blick auf die lange Liegezeit sowie die Nässe, den Frost und vor allem den Dreck allerdings eine sehr komplizierte Angelegenheit. Es müssten Spuren gefunden werden, die man mit bloßem Auge gar nicht sehen könne, erklärt Ralf Östermann. „Also arbeiten sich die Wissenschaftler Quadratzentimeter für Quadratzentimeter vor und das braucht eben seine Zeit. Da darf man nichts übers Knie brechen. Auch wir müssen uns da in Geduld üben”, räumt der 54-Jährige ein. Immerhin steht damit nun so viel fest: Die Leiche der dreifachen Mutter und Ehefrau wurde nicht erst im Februar, also kurz vor ihrem Auffinden, in einer Senke zwischen Acker und Wäldchen am Kölkenweg abgelegt, sondern bereits kurz nach ihrem Verschwinden am 14. Oktober. „Ob Frau Graf allerdings bereits an diesem Tag ermordet und direkt zum Kölkenweg gebracht wurde, oder ob das ein paar Tage später geschah, lässt sich nicht mehr eindeutig feststellen”, sagt Ralf Östermann. „Ebenso wenig beantworten lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt die Frage, ob der Leichenfundort auch der Tatort war.”
Klar ist wiederum, dass Nelli Graf am Tag ihres Verschwindens nach einem Arztbesuch in der Innenstadt wieder zu Hause am Ahornweg gewesen sein muss: „Neben Handtasche, Schlüsseln und ihrem Handy lag die lange karierte Jacke, die sie morgens trug, dort”, bestätigt Ralf Östermann. „Wir können es zwar nicht definitiv sagen, unterstellen allerdings, dass Nelli Graf dann noch einmal mit dem Fahrrad losgefahren ist und schließlich ihren Mörder getroffen hat.”
Dass das Fahrrad unabhängig von der Tat in das Wäldchen an der Hachhowe gebracht wurde, sei wenig wahrscheinlich. Und ganz sicher sei ihr nichts zu Hause geschehen, denn dort gebe es keine Spuren und die müsse es angesichts der Tatsache, dass sie erstochen wurde, nun einmal geben. Fraglich bleibt jedoch bis heute, warum Nelli Graf, die auf ihrer letzten Fahrt die Sportjacke ihres jüngsten Sohnes mit der Aufschrift »SC Halle« trug, auf diesem Weg von niemandem gesehen wurde. Zeugen werden weiterhin gebeten, sich bei der Polizei zu melden.