Vater der toten Bernerin in Kosovo08. März 2017 18:31; Akt: 09.03.2017 13:31 Print «Ich weiss nicht, wie meine Tochter gestorben ist»
von Qendresa Llugiqi -
Die Bernerin Dafina Z. ist im Februar 2016 tot in Kosovos Hauptstadt Pristina aufgefunden worden. Ihre Familie weiss bisher kaum etwas über die Todesumstände.
Am Morgen des 17. Februar 2016 wurde die Leiche der 35-jährigen Dafina Z.* in einer Wohnung in der kosovarischen Hauptstadt Pristina gefunden. Ihr Freund, in dessen Wohnung die Bernerin während ihres Aufenthalts in Kosovo wohnte, wurde verdächtigt, mit ihrem Tod in Verbindung zu stehen.
In einem Tatortvideo der Polizei, das 20 Minuten vorliegt, erklärt der Freund, dass es im Wohnzimmer zu einer Auseinandersetzung zwischen ihm und Dafina gekommen sei. Dann sei sie plötzlich ins Schlafzimmer gegangen, habe seine Pistole, eine Beretta Gardone V.T Model PX4-Storm, aus dem Versteck geholt – und habe sich damit töten wollen. Doch er habe ihr die Waffe entreissen können. Er gibt an, zudem das Magazin entfernt und dieses samt der Waffe auf den Tisch gelegt zu haben.
Dafina habe daraufhin versucht, aus dem Wohnzimmerfenster zu springen. Doch er habe sie davon abhalten können. Danach sei sie ihm entwischt und habe wieder zur Waffe samt Magazin gegriffen. Dann sei sie ins Schlafzimmer gerannt und habe sich – auf dem Bett stehend – erschossen.
Aus U-Haft entlassen
Der Freund wurde in Untersuchungshaft genommen. Rund sechs Monate später – Mitte August 2016 – wurde er freigelassen, ohne dass die Familie des Opfers oder deren Anwalt auf offiziellem Weg informiert wurden. «Wir haben von anderen erfahren, dass die U-Haft aufgehoben wurde», erklärt Naim Rudari, der Anwalt der Familie.
Seine Freilassung kann die Familie der Toten nicht nachvollziehen. Sie ist überzeugt, dass der Freund mit dem Tod ihrer Tochter in Verbindung steht. «Entweder hat er sie selbst erschossen oder jemanden damit beauftragt», sagt der Vater von Dafina zu 20 Minuten. Er glaubt, dass es bei den Untersuchungen der kosovarischen Behörden «nicht mit rechten Dingen zugeht». «Wir vermuten, dass der Verdächtige die Staatsanwaltschaft bestochen hat oder gute Beziehungen zu den Behörden besitzt.»
Unstimmigkeiten bei den Untersuchungen
Die Schwester fügt hinzu: «Die Annahme, dass Dafina Suizid begangen hat, ist für uns als Familie sowie für Freunde nicht nachvollziehbar.» Dafina sei ein lebensfroher Mensch gewesen. «Kleine Sorgen oder Probleme hat sie mit einem Lächeln überwunden, weil es sich laut ihr nicht lohnte, sich deswegen aufzuregen. Sie nutzte jede Gelegenheit für eine Reise oder sonstige Abenteuer», so die Schwester weiter.
Auch der Anwalt der Familie bestätigt, dass es einige Unstimmigkeiten gebe. Beispielsweise geht aus einem Rapport, der 20 Minuten vorliegt, hervor, dass weder Dafina noch ihr Freund Schmauchspuren an den Händen oder an der Kleidung hatten. «Meiner Meinung nach wären irgendwelche Spuren an Dafinas Händen zu finden gewesen, wenn sie geschossen hätte. Zwar kann man Schmauchspuren entfernen. Aber sie hätte dies ja gar nicht mehr machen können», so der Anwalt. Das führe dazu, dass «sich der Verdacht erhärte, dass es alles andere, aber kein Selbstmord war».
Gemäss dem Forensischen Institut des Kantons Zürich «hinterlässt jede Schusswaffe, die Munition mit einer Hülse und einem Projektil verschiesst, potenziell Schmauch». «Ob jedoch Schmauch gefunden wird, hängt von den Eigenschaften der Waffe ab.» Diese Spuren finde man für gewöhnlich in der unmittelbaren Umgebung der Schussabgabe. Dies bedeute, dass auch an der Kleidung und an den Händen Schmauch gefunden werden kann. Es sei aber auch möglich, Schmauchspuren zu entfernen.
Weiter weist Anwalt Rudari auf eine verpasste Abklärung hin: «Wir haben keine Kenntnis davon, dass Fingerabdrücke von der Waffe oder dem Magazin genommen wurden.» Somit bleibt auch die Aussage des Verdächtigen unbestätigt, dass das Opfer nach der Waffe gegriffen habe. «Ich vermute, dass keine Fingerabdrücke genommen wurden, weil man es als nicht relevant eingestuft hat. Der Verdächtige gibt ja zu, die Waffe in der Hand gehabt zu haben.»
Keine Beweise für Selbstmord
Rudari weiter: «Sicherlich ist es schwer, einen Selbstmord von einem Mord zu unterscheiden. Bisher hat die Staatsanwaltschaft aber keine konkreten Beweise geliefert, dass es Selbstmord gewesen sein soll.» So habe beispielsweise der Experte, der die Autopsie durchgeführt habe, zwar in einer Aussage für die Staatsanwaltschaft angegeben, dass sich Dafina selbst erschossen habe. «Doch er hat keine Beweise geliefert, die seine Aussage unterstützen.»
Der Anwalt sagt weiter, die Familie habe keine offizielle Information erhalten, dass der Fall für die Staatsanwaltschaft mit der Freilassung des Verdächtigen abgeschlossen sei. «Die Untersuchungen laufen noch. Jedoch wurde beschlossen, die Massnahme U-Haft in eine andere Massnahme zu verwandeln. Der Verdächtige muss stattdessen immer wieder bei der Polizei vorstellig werden.»
Ist der Fall für die Staatsanwaltschaft abgeschlossen?
Doch die Familie glaubt nicht daran, dass der Tod von Dafina weiter untersucht wird. Sie weist auf ein Dokument der Staatsanwaltschaft Pristina hin, das dem kosovarischen Enthüllungsportal «Insajderi.com» zugespielt wurde, aber weder der Familie noch dem Anwalt vorliegt. Darin heisst es, dass die zuständige Staatsanwältin und ihr Vorgesetzter in Pristina, Oberstaatsanwalt Imer Beka, sich einig seien, dass es sich um einen Selbstmord handle. So seien sie zum Schluss gekommen, die U-Haft aufzuheben und die Ermittlungen ruhen zu lassen.
Der Anwalt der Familie hat sich ebenfalls mit Oberstaatsanwalt Beka unterhalten. «Er sieht aber keine Anzeichen für einen Mord», erklärt Anwalt Rudari. «Gemäss dem Oberstaatsanwalt des Landes, Aleksander Lumezi, gibt es hingegen einige Zweifel, dass es Selbstmord war. Er möchte, dass die Untersuchungen weitergeführt werden.»
Professor bezweifelt Selbstmord-Theorie
Die Familie der Toten wünscht sich nichts mehr, als dass endlich richtig ermittelt wird, wie der Vater von Dafina sagt. «Auch nach über einem Jahr weiss ich nicht, wie meine Tochter gestorben ist. Das belastet mich und meine Familie.»
Darum habe die Familie Kontakt mit einer hiesigen rechtsmedizinischen Institution aufgenommen. «Deren Leiter, ein erfahrener Professor für Rechtsmedizin, äussert nach dem Studium der Akten und insbesondere der Fotos vom Tatort und von der Autopsie erhebliche Zweifel an der Selbstmord-These.»
«Hass und Wut sind sehr präsent»
Der Vater fügt hinzu: «Wenn der von uns zugezogene Experte erklären würde, dass sich meine Tochter selbst getötet habe, würden wir das Resultat akzeptieren.» Die Familie sei aber bereit, weitere Experten anzuhören oder Schweizer Behörden beizuziehen, um den Fall aufzuklären. Gemäss ihm konnten die Schweizer Behörden der Familie bisher nicht weiterhelfen, weil Dafina nicht eingebürgert war und der Staat sich somit nicht verantwortlich für sie fühlt.
Die Schwester fügt hinzu: «Wir hatten bisher nicht einmal Zeit, um wirklich um Dafina zu trauern.» Dass der Fall unaufgeklärt bleibt, setze der Familie zu. «Hass und Wut sind sehr präsent. Wir wünschen uns nichts mehr, als die Wahrheit zu erfahren und dass Dafina in Frieden ruhen kann.»
Die kosovarischen Strafverfolgungsbehörden nahmen keine Stellung zu einer Anfrage von 20 Minuten.
Bernerin im Kosovo getötet – Mann verhaftet Eine junge Frau wurde in der Nacht auf Donnerstag tot in Pristina aufgefunden. Gemäss kosovarischen Medien handelt es sich dabei um Dafina Z.* aus Bern.
Dafina Z.* ist tot.Die junge Schweizerin aus Bern wurde tot in Pristina aufgefunden.Gemäss kosovarischen Medien befindet sich ein Verdächtiger in Haft. Er soll eine Beziehung mit der jungen Frau gehabt haben.In den sozialen Medien trauern ihre Freunde um sie. Hier Kaci Lleshi, ein Star-Coiffeur aus Kosovo, der sein Beileid ausdrückt.Ihre Freunde können nicht verstehen, wie das passieren konnte.
Die 35-jährige Dafina Z.* wurde in der Nacht auf Donnerstag in ihrer Wohnung in Pristina, der Hauptstadt von Kosovo, tot aufgefunden. Gemäss kosovarischen Medien hat die Bernerin, die ursprünglich aus Gjakova kommt, den Kosovo besucht.
Gemäss «Bota Sot» ist die junge Frau aus nächster Distanz mit einer Schusswaffe getötet worden.
Wurde das Opfer nach einem Streit erschossen?
Laut der Zeitung wurde ein verdächtiger Mann verhaftet, der sich ebenfalls am Tatort befunden habe. Er befindet sich in U-Haft. Er soll eine Beziehung mit Z. gehabt haben. Gemäss «Bota Sot» soll sich das Paar zuvor gestritten haben.
Der genaue Tatvorgang und die Todesursache werden durch die kosovarische Polizei untersucht. So soll auch die Leiche bereits obduziert worden sein. Zudem spekulieren kosovarische Medien nun, dass die junge Frau Selbstmord verübt hat.
Grosse Trauer
Freunde und Familie des Opfers trauern auf Social Media. So schreibt ihre Schwester auf Facebook: «Ich habe keine Worte, meine Schwester. Meine Seele weint um dich. Komm zurück!»
Kaci Lleshi, ein Starcoiffeur aus Kosovo, schreibt auf Instagram: «Eine wertvolle Freundin, geliebte Kundin, einfach unvergesslich. Gestern Abend habe ich erfahren, dass du von uns gegangen bist. Tiefe Trauer, grosse Enttäuschung. Dafina, jedes Wort ist zu viel.»