Ungelöste Mord- und Kriminalfälle
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Leipzig/Halle (Saale): 1981 | Kreuzworträtsel-Mord vor 40 Jahren: Lars Bense\'s (†7) Tod ging in die Kriminal-Geschichte ein
Kreuzworträtsel-Mord vor 40 Jahren: Lars' (†7) Tod ging in die Kriminal-Geschichte ein 18.01.2021 12:42
Von Nico Zeißler
Leipzig/Halle (Saale) - Im Jahr 1981 ging ein Tötungsdelikt in der DDR in die weltweite Kriminalgeschichte ein. Im "Kreuzworträtsel-Mord" um den kleinen Lars Bense (†7) aus Halle-Neustadt führten lediglich ausgefüllte Denkspiele aus Zeitungen auf die Spur des Täters.
Am 15. Januar 1981 beginnt die wohl größte Fahndungssuche der DDR. An diesem Tag verschwindet der siebenjährige Lars Bense, Erstklässler der Bernard-Koenen-Schule, auf dem Weg zum Kino. Der damalige Leiter der Mordkommission, Siegfried Schwarz, ist sich relativ schnell sicher, dass dem Grundschüler etwas zugestoßen sein muss.
Doch erst 14 Tage später wird durch einen erschreckenden Fund der Fall so richtig angeschoben. Der damals 19 Jahre alte Uwe Theuerkorn, Streckenläufer der Bahn, findet zwischen Halle und Leipzig einen Reisekoffer im Schnee neben den Gleisen. Er öffnet ihn behutsam, wie er für den MDR nachstellte, und stößt auf einen toten Körper.
Gerichtsmediziner Prof. Dr. Wolfgang Dürwald (†90) untersucht den Leichnam in Leipzig. Er findet eine "geradezu eingepresste" kindliche Leiche unter vielen zusammengeknüllten Zeitungen. Die Besonderheit: In den Zeitungen finden sich zahlreiche ausgefüllte Kreuzworträtsel. Das Kind weist mehrere Stiche und Verletzungen stumpfer Gewalt auf. Es ist Lars Bense.
Frau G.s Schrift ist ein Volltreffer!
Ermittler Schwarz verspricht den Eltern: "Der Mörder Ihres Sohnes wird gefunden und seiner gerechten Strafe zugeführt", wie er in einem "Kripo live"-Extra erzählt. Doch es vergehen ergebnislose zehn Monate. Es werden insgesamt über 500.000 Schriftproben gesammelt - von Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen, sogar von mittlerweile Verstorbenen. Sachverständige legen sich fest, dass die "Verursacherin" der ausgefüllten Kreuzworträtsel eine Frau im mittleren Alter ist. Für die Ermittler ist sofort klar: Schriftenverursacherin und Täter sind zwei verschiedene Personen.
Über Pkw-Anmeldungen, Personalausweis-Anträge und persönlich eingeholten Schriftproben wird unter Hochdruck nach der Nadel im Heuhaufen gesucht.
Dann der Wendepunkt. Am 10. November 1981 betreten Ermittler den fünfgeschossigen Block 398 in Halle-Neustadt. Eine Mieterin ist nicht da: Frau G. arbeitet als Saisonkraft in einem Strandcafé an der Ostsee. Die hiesige Polizei wird von den Hallenser Kollegen beauftragt, eine Schriftprobe von ihr zu besorgen und diese nach Halle zu schicken - es ist ein Volltreffer! Schnell gerät G.s Schwiegersohn Matthias S. (19) ins Fadenkreuz der Ermittlungen. Er arbeitet damals als Saisonkraft in einem Ferienheim in Friedrichroda.
Und tatsächlich: Der 19-Jährige gesteht die Tat und schildert Details. Er habe Lars am 15. Januar mit Spielzeugautos gelockt und ihn mit in die Wohnung seiner Schwiegermutter genommen. Wohlwissend, dass seine Partnerin noch auf Arbeit ist. Er missbraucht den Erstklässler, betäubt ihn mit Hammerschlägen, legt ihn die Badewanne, wo er weiter auf seinen Hinterkopf einschlägt. Weil Lars noch immer Lebenszeichen von sich gibt, sticht S. ihm mehrfach in die Herzgegend. Der Siebenjährige hat keine Chance. Den 1,18 Meter kleinen Körper drückt er in einen Reisekoffer und stopft diesen mit Zeitungen, die er in der Wohnung findet, aus. Dass sich in diesen ausgefüllte Kreuzworträtsel befinden, weiß er nicht.
Seine Freundin, so wird im Prozess aufgedeckt, musste ihm Geschichten von kleinen Jungen erzählen, um ihn sexuell zu stimulieren. Die Tötungsfantasien entwickelte er, nachdem er seinem Opa beim Schweineschlachten zugesehen hatte.
Matthias S. wird wegen Mordes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch zu lebenslanger Haft verurteilt. Später wird die Haftstrafe aufgrund seines Alters auf zehn Jahre reduziert und die Unterbringung in einer Psychiatrie angeordnet.
Täter-Vater begeht Selbstmord, Opfer-Vater stirbt am Todestag
Weil sich die Tat und der Name des Mörders schnell in Halle-Neustadt herumsprechen, verlassen seine Eltern zeitweise die eigene Wohnung nicht mehr und gehen auch ihrer Arbeit nicht nach. Später ziehen sie in eine andere Stadt, suchen sich einen neuen Job.
Tragisch: Wenige Jahre nach der Tat begeht Matthias S. Vater Selbstmord, zudem stirbt der Papa von Lars am 15. Januar 1994 an den Folgen seiner Alkoholsucht - exakt 13 Jahre nach dem Tod seines Sohnes.
Matthias S. lebt nach seiner Entlassung offenbar in Magdeburg mit neuer Frau und Stiefkind, wo er am 15. Januar 2013 - auf den Tag genau 32 Jahre nach dem Mord nach schwerer Krankheit verstirbt.
Der "Kreuzworträtsel-Mord" gilt weltweit als Kriminalfall mit der umfassendsten Auswertung von Schriftproben. Es waren mehr als eine halbe Million. Von Hand. Ohne Computer.
Den gesamten Fall seht Ihr in der Extra-Ausgabe von "Kripo live".
************************************************************************* *Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht* Mark Aurel *What goes arount - comes arount * Critical questioning never harms* *********************************************************************************** *Hervorhebung in Kommentaren durch den Verfasser *Äusserungen zu Fällen sind rein spekulativ*
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Wie es zur Aufklärung kam liest sich ganz interessant. Es muss eine Heidenarbeit gewesen sein.
ZitatDer "Kreuzworträtsel-Mord" gilt weltweit als Kriminalfall mit der umfassendsten Auswertung von Schriftproben. Es waren mehr als eine halbe Million. Von Hand. Ohne Computer.
Dazu aus Wikipedia:
... Da laut Meinung von Experten weitere Morde des Täters zu erwarten waren, wurde den ermittelnden Behörden von übergeordneter Instanz, namentlich der in der DDR herrschenden SED, eine rasche Aufklärung des Verbrechens abverlangt. Da es nicht gelang, den Eigentümer des Koffers, bei dem es sich um ein älteres Massenprodukt aus Hartpappe handelte, durch dessen öffentliche Ausstellung zu ermitteln, und auch die Herkunft der Plastiktüte, bei der es sich um die Verpackung einer tausendfach verkauften Bettdecke handelte, nicht zurückverfolgt werden konnte, blieben die ausgefüllten Kreuzworträtsel als einzige erfolgversprechende Spur. Die Schriftmerkmale wiesen auf eine Frau mittleren Alters als Urheberin hin. In der Folge kam es zu einer in der Geschichte der Kriminalistik einzigartigen Aktion. Es wurde damit begonnen, systematisch von allen Bewohnern Halle-Neustadts Schriftproben (in der Fachsprache der Volkspolizei als „individuelle Schreibleistungen“ bezeichnet) einzuholen. Polizisten erbaten bei Hausbesuchen Schriftproben, Akten der Sozialversicherung und der Meldestellen wurden durchsucht und außerdem wiederholt Altpapiersammlungen durchgeführt und die Zeitungen darin nach ausgefüllten Kreuzworträtseln durchgesehen, um bei positivem Ergebnis der Schriftvergleichung das mutmaßliche Wohngebiet des Schrifturhebers besser eingrenzen zu können.
Hauptmann Siegfried Schwarz, von 1976 bis 1983 Chef der Morduntersuchungskommission bei der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei (BDVP) Halle, leitete die Untersuchung. Sein Stellvertreter, Hauptmann Löser, führte die unmittelbaren Ermittlungen. Aufgrund der Bedeutung des Falles wurde eine erweiterte Morduntersuchungskommission gebildet, zu der Oberleutnant Adolf Döling vom Volkspolizeikreisamt Halle abgeordnet wurde. Seine Aufgabe bestand darin, die gesammelten Schreibleistungen zu erfassen und an die Schriftsachverständigen unter der Leitung von Hauptmann Werner Brettschneider weiterzuleiten[1]. Im Zuge der umfangreichen Ermittlungen wurden auch andere Delikte (Unterschlagungen usw.) bekannt. Gemäß der Weisung des Chefs der BDVP, General Schröder, konzentrierte sich Hauptmann Schwarz ausschließlich auf den Mord.
Neun Monate lang konnte trotz intensiver Untersuchung der zur Verfügung stehenden Schriftproben kein Erfolg erzielt werden, obwohl zwischenzeitlich auch versucht worden war, über ein Preisausschreiben in der regionalen Zeitung (dessen Lösungswörter in den Kreuzworträtseln vorkamen) an weitere „Schreibleistungen“ zu gelangen. Da bis Oktober zudem nur von rund einem Viertel der Einwohner Halle-Neustadts eine Schriftprobe erfasst worden war, versuchte man die Ermittlungen mit einem auszufüllenden Kreuzworträtsel-Vordruck zu beschleunigen. Die Einsendungen wurden für jeden Wohnblock einzeln eingesammelt und ausgewertet. Von abwesenden Personen wurden durch die örtliche Polizei Schriftproben eingeholt, so auch bei einer Bewohnerin des Blockes 398, die zu dieser Zeit als Saisonkraft an der Ostsee arbeitete. Ihre Schriftprobe war identisch mit den Kreuzworträtseln im Koffer – die entscheidende Spur nach neunmonatiger Ermittlungsarbeit. In einem Gespräch mit der Frau und ihrer Tochter ergaben sich weitere Hinweise auf den möglichen Täter. Matthias S., der Freund der Tochter, entsprach dem Profil des mutmaßlichen Täters. Am 17. November 1981 wurde er an seiner Arbeitsstätte in Friedrichroda verhaftet und nach Halle (Saale) gebracht....