Renate Metzner (71) starb im Todes-Heim „Meine Mutter lag hinter der Scheibe im Bett“ In einer Einrichtung in Schleswig-Holstein infizierten sich fast 100 Bewohner und Mitarbeiter. Pfleger und Angehörige erheben schwere Vorwürfe
on: Hartmut Wagner veröffentlicht am 10.01.2021 - 20:03 Uhr Bams
Er konnte sich nicht einmal richtig verabschieden: Als Nils Metzner erfährt, dass seine coronainfizierte Mutter im Sterben liegt, fährt er sofort zu ihr ins Pflegeheim in Bredstedt (5500 Einwohner, Schleswig-Holstein).
Doch er darf nicht zu ihr, ihr in den letzten Stunden nicht zur Seite stehen.
„Mein Vater und ich mussten vor einem verriegelten Balkonfenster stehen bleiben“, erzählt Metzner. „Meine Mutter lag hinter der Scheibe im Bett, bewegte nur noch die Augenlider. Wir haben gewunken, ihr liebe Worte gesagt und geweint.“
Drei Tage später war Renate Metzner († 71) tot. Sie war Ehefrau, Mutter von zwei Kindern, Oma von sechs Enkeln – und eine von 18 Bewohnern im „Alloheim“ Bredstedt, die dort seit Dezember an oder mit Corona verstarben.
Bis heute infizierten sich 65 Bewohner, 26 Mitarbeiter. Und das Unternehmen „Alloheim“ (20 000 Mitarbeiter, 225 Heime bundesweit) steht in der Kritik.
Das Drama von Bredstedt
Am 1. Dezember wurde erstmals ein Pfleger positiv getestet. Zwei Tage später machte das Heim bei allen 160 Mitarbeitern und Bewohnern Antigen-Schnelltests: Alle waren negativ.
Doch das Gesundheitsamt testete sie am 5. Dezember noch mal per PCR-Test – da waren bereits acht Bewohner positiv.
Erst dann, vier Tage nach der ersten nachgewiesenen Infektion, soll das Heim seine Pfleger angewiesen haben, statt normalem Mund-Nasen-Schutz sicherere FFP-2-Masken zu tragen. Das berichtet eine Mitarbeiterin der BamS.
Zwei Pflegerinnen, die anonym bleiben wollen, erheben in den „Husumer Nachrichten“ schwere Vorwürfe: „Unseretwegen sterben hier die Menschen. Was wir hier machen, ist aktive Sterbehilfe. Wir Pflegekräfte sind es, die die Bewohner anstecken.“
Auch Nils Metzner ist wütend: „Ich bin sicher: Meine Mutter wurde durch Pfleger infiziert. Sie hatte ja sonst zu niemandem Kontakt, durfte ihr Zimmer nach dem Corona-Ausbruch gar nicht mehr verlassen.“
Landrat Florian Lorenzen (34, CDU) kritisiert in BamS: „Es wäre wohl besser gewesen, wenn die Mitarbeiter im Heim schon früher FFP-2-Masken getragen hätten. Außerdem teilte das Heim unserem Gesundheitsamt zwar mit, zu welchen Bewohnern die positiv getesteten Pflegekräfte Kontakt hatten. Doch unsere Fallermittlungen zeigten, dass es mehr Kontakte waren. Das verzögerte unsere Arbeit um einen Tag.“
Das Gesundheitsamt schickte alle 70 Mitarbeiter in Quarantäne. Wer negativ getestet war, durfte weiterarbeiten. Als es immer mehr Infizierte und Tote gab, wurde eine zweite Quarantäne angeordnet.
Das Unternehmen „Alloheim“ weist auf BamS-Nachfrage alle Kritik zurück: Das Heim habe voll kooperiert, alle nötigen Maßnahmen eingeleitet.
Doch die Bredstedter machen sich Sorgen. Sie kommen jeden Abend zum Heim und zünden Kerzen an. Für die Verstorbenen, aber auch, um den verbleibenden Bewohnern zu zeigen, dass sie nicht vergessen sind.
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