Reaktionen auf die Einstellung der Ermittlungen im Fall Peggy
Bericht und VIDEO:
Nach fast 20 Jahren hat die Staatsanwaltschaft Bayreuth die Ermittlungen im Fall Peggy eingestellt. Während der letzte Hauptverdächtige Schadensersatz fordern will, versetzt sich der Bürgermeister von Lichtenberg in die Lage von Peggys Familie.
Nachdem die Staatsanwaltschaft Bayreuth und das Polizeipräsidium Oberfranken mitgeteilt haben, dass die gesammelten Indizien im Fall Peggy nicht für eine Mord-Anklage ausreichen, fallen die Reaktionen auf die Entscheidung unterschiedlich aus. Der Fall Peggy: Eine Chronologie der Ereignisse
Der bislang letzte Verdächtigte im Fall Peggy, Manuel S., reagiert mit Erleichterung auf die Einstellung der Ermittlungen. Dies erklärte sein Verteidiger Jörg Meringer auf BR-Anfrage:
"Mein Mandant und seine Familie sind sehr froh, dass das Damoklesschwert einer möglichen Anklage jetzt nicht mehr über ihnen schwebt." Jörg Meringer, Verteidiger von Manuel S.
Meringer will Schadensersatz wegen Rufschädigung prüfen
Nun prüft Anwalt Meringer, ob Schadensersatz-Ansprüche gegen den Freistaat Bayern wegen Rufschädigung bestehen. Denn die Ermittler hätten bei einer Pressekonferenz im Herbst 2018 den vollen Vor- und Nachnamen des damals Verdächtigen genannt. "Ich finde, da wurde gegen die Unschuldsvermutung verstoßen", so Jörg Meringer im Gespräch mit dem BR.
Verteidiger von Manuel S. kritisiert Staatsanwaltschaft Bayreuth
Gleichzeitig kritisiert Meringer die Staatsanwaltschaft Bayreuth – und zwar gleich mehrfach. So könne der Anwalt nicht nachvollziehen, dass die Ermittler den Fall Peggy nun komplett zu den Akten legen wollen. Seiner Meinung nach seien von der Staatsanwaltschaft zum Beispiel die Spuren zu einem anderen Verdächtigen aus Halle noch nicht ausreichend geprüft. Es handelt sich dabei um Holger E., der als Jugendlicher öfter Kontakt zu Peggy hatte. Außerdem kritisiert der Verteidiger das Vorgehen der Ermittler gegen seinen Mandanten. Es habe keinerlei Spuren von ihm an den sterblichen Überresten von Peggy gegeben, die im Sommer 2016 in einem Waldstück in Thüringen zufällig von Pilzsammlern entdeckt wurden.
Akteneinsicht soll beantragt werden
Meringer erklärte zudem, dass er nun Akteneinsicht beantragen werde, um die Ermittlungsergebnisse der vergangenen Monate und Jahre nachvollziehen zu können. "Alles Weitere werde ich in Ruhe mit meinem Mandanten besprechen", so der Verteidiger in einer ersten Stellungnahme über die Einstellung der Ermittlungen, die allerdings jederzeit wieder aufgenommen werden können.
Für Lichtenbergs Bürgermeister ist der Fall "abgeschlossen"
In der Stadt Lichtenberg, in der Peggy im Mai 2001 zuletzt lebend gesehen worden war, sei der Fall Peggy zumindest aus Sicht des Stadtoberhaupts "abgeschlossen". Bayerns jüngster Bürgermeister, Kristan von Waldenfels (CSU), betonte aber auch, für Peggys Familie sei es schwer, dass der Mordfall nach all den Jahren ungeklärt bleibe.
"So schrecklich der Mord war, so groß das Leid für die Familie ist – für Lichtenberg gehört der Fall jetzt der Vergangenheit an. Lichtenberg ist zur Ruhe gekommen." Kristan von Waldenfels, Bürgermeister der Stadt Lichtenberg
Einer der mysteriösesten Mordfälle in Deutschland wird wohl niemals geklärt. Die Staatsanwaltschaft Bayreuth stellt mehr als 19 Jahren nach dem Verschwinden der damals Neunjährigen die Ermittlungen ein.
22. 10. 2020 18:06 Uhr
Lichtenberg - Die Akten im Fall Peggy werden nach 19 Jahren geschlossen. Die Indizien gegen den Bestatter Manuel S. (43) reichen laut einer Pressemitteilung von Staatsanwaltschaft Bayreuth und Polizeipräsidium Oberfranken nicht aus. "Der Ermittlungskomplex Peggy mit allen Verfahren ist nun vollständig beendet", heißt es zu der Einstellungsverfügung.
Am 7. Mai 2001 verschwand die damals neunjährige Schülerin spurlos. Erst im Juli 2016 fand ein Pilzsammler ihre sterblichen Überreste in einem Waldstück bei Rodacherbrunn nahe der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Im Zuge der neuen Ermittlungen rückte Manuel S. ein weiteres Mal in den Fokus der Ermittler. Er zählte schon 2002 zu den Verdächtigen. Damals war nicht aufgefallen, dass er für die Tatzeit kein Alibi hatte und in seinen Vernehmungen nach der Tat nicht die Wahrheit gesagt hatte. So war er an jenem Montag mit seinem Auto unterwegs. Erst vor zwei Jahren gestand er, die Leiche des Mädchens übernommen und im Wald vergraben zu haben. Auch mehrere Indizien an der Fundstelle wiesen zudem auf S. hin: Farbreste - er renovierte seine Wohnung; Pollenspuren von Torf im Schädel des Mädchens und winzige Reste einer Torfpackung - er topfte an jenem Tag Blumen um; Reste einer Plane, wie sie Landwirte benutzen - er bezeichnete sich als "Hobby-Landwirt". Und in einem heimlich abgehörten Gespräch mit Ulvi K., der 2004 für den Mord an Peggy verurteilt, später aber wieder freigesprochen wurde, fiel der Hinweis, das Mädchen sei in eine Plane eingewickelt worden.
S. räumte am 12. September 2018 in einer fast zehnstündigen Vernehmung ein, die Leiche beseitigt zu haben, nachdem er versucht habe, das Kind wiederzubeleben. Zudem geht er nach Informationen unserer Zeitung selbst davon aus, dass jemand gesehen haben muss, wie er, Ulvi K. und Peggy an jenem Montag am Henry-Matheau-Platz in Lichtenberg zusammentrafen. In seiner Vernehmung hat er diese Begegnung nie abgestritten. Bekannten gegenüber soll er sie eingeräumt haben. Dennoch reichten diese Indizien nicht für eine Anklage aus. "Die abschließende Bewertung der äußerst umfangreichen Ermittlungsergebnisse durch die Staatsanwaltschaft Bayreuth führte zu dem Ergebnis, dass dem Beschuldigten Manuel S. eine Täterschaft oder Beteiligung an der Herbeiführung des Todes der Peggy Knobloch nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden kann", heißt es in der Mitteilung von Staatsanwaltschaft und Polizei.
Voraussetzung aber für die Erhebung der Anklage sei "ein hinreichender Tatverdacht", auf dessen Grundlage die Verurteilung des Beschuldigten "mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein muss". Jörg Meringer, der Verteidiger von S., hatte schon mehrfach darauf hingewiesen, dass für ihn die Indizienkette nicht schlüssig sei. Einen Mord beweist sie auch nicht.
Dies machte jetzt auch die Staatsanwaltschaft deutlich. Es seien zwar zahlreiche Indizien ermittelt worden, die auf eine Tatbeteiligung von Manuel S. hindeuten. Aber "weder die objektive Spurenlage noch die verwertbaren Angaben des Beschuldigten oder sonstige Beweismittel gestatten einen hinreichend sicheren Nachweis der Beteiligung an der Tötung von Peggy Knobloch". Erschwerend kommt hinzu, dass "aufgrund des Zustandes der sterblichen Überreste des Mädchens" nach 15 Jahren "viele Spuren unwiederbringlich verloren" seien. So ließ sich die Todesursache nicht mehr feststellen. Und es fehlen Zeugen, die das Geschehen beobachtet haben.
Insgesamt gab es drei Sonderkommissionen (Soko) in dem Fall und eine spezielle Ermittlergruppe. Das fehlende Alibi von S. fiel erst der vorerst letzten Soko auf. 2018 wurde das Haus und die Liegenschaften des zweifachen Familienvaters in Marktleuthen durchsucht, später kam er in Untersuchungshaft. Er bestritt immer, mit dem Tod des Mädchens etwas zu tun zu haben. "Ich habe nichts anderes erwartet", sagte der Anwalt des Verdächtigen laut dpa angesichts der Einstellung des Verfahrens. Sein Mandant und dessen Familie seien erleichtert. "Es waren jetzt über zwei Jahre, wo ein möglicher langwieriger Prozess über ihnen wie ein Damoklesschwert schwebte." Er werde Akteneinsicht beantragen, um Ansprüche auf Schadensersatz zu prüfen.